Alles für die Brücke: Eine Zugfahrt durchs Shan-Hochland in Birma

Mandalay (dpa/tmn) - Birma ist ein Zugreiseland - zumindest auf dem Papier. Das Eisenbahnnetz ist 5000 Kilometer lang. Doch weil die Züge veraltet sind, geht es mit dem Bus meist schneller. Nur eine Bahnstrecke lohnt sich wirklich: die zum Gokteik-Viadukt.

Der Gokteik-Viadukt muss wirklich spektakulär sein. Ansonsten säße Rabiatui Adawiyah Mohamed wohl kaum um 4.00 Uhr morgens in diesem Zug, der wild durch Außenbezirke von Mandalay schaukelt, während ein blutroter Mond über dem schwarzen Land aufgeht. Die Malaysierin aus Kuala Lumpur und ihre Freundin Fariza Raymond werden den halben Tag mit dem Zug ins Shan-Hochland im Nordosten Birmas hinauffahren. Wenn der Zug den Viadukt passiert hat, werden die beiden Frauen aussteigen und mit dem Bus die ganze Strecke zurückfahren. Klingt verrückt, aber sie sind nicht die einzigen im Erste-Klasse-Abteil, die das tun.

Auf dem Papier ist Birma (Myanmar) ein Zugreiseland. Das Eisenbahnnetz ist fast 5000 Kilometer lang, es gibt 550 Bahnhöfe. Tatsächlich ist es aber meist schneller und günstiger, mit dem Bus zu reisen. Denn die meisten Züge sind veraltet und langsam. Eigentlich lohnt es sich nur auf einer Strecke, den Zug zu nehmen: von Mandalay nach Hsipaw, wegen des Gokteik-Viadukts. Als amerikanische Ingenieure die Eisenbahnbrücke 1901 vollendeten, war sie die zweitgrößte der Welt. Rund 793 Meter lang und 111 Meter hoch spannt sie sich über die Gokteik-Schlucht. Noch heute gilt sie als technische Meisterleistung.

Die britischen Kolonialherren ließen sie bauen, um die Eisenbahnlinie von Rangun über Mandalay bis nach Lashio zu verlängern. Von dort lieferten sie im Zweiten Weltkrieg über die berüchtigte Burma Road Waffen an die Chinesen, die gegen die vorrückenden Japaner kämpften. Bis die Japaner selbst 1942 Birma überrannten.

Die Abteile im Zug sehen nicht ganz wie in einem deutschen ICE aus. Die mintgrüne Farbe blättert von den Wänden, die Fensterscheiben sind zerkratzt. Aber die Sitze sind bequem, komfortabel lässt sich so die vorbeiziehende Landschaft betrachten.

Je höher der Zug zuckelt, desto grüner wird das Land. Bäche durchschneiden Blumen- und Gemüsefelder, dazwischen stehen Hütten aus geflochtenen Bambusmatten. Doch im Moment hat kaum jemand Augen für das hübsche Bild. Das ganze Abteil schläft, eingelullt vom Schaukeln des Zugs.

Nach gut vier Stunden fährt der Zug in Pyin U Lwin ein. In das grüne Städtchen flohen die britischen Kolonialherren früher, wenn die Hitze in der staubigen Ebene von Mandalay unerträglich wurde. Im Zentrum bestimmen moderne Betonhäuser das Stadtbild, hier hupt und brummt das neue Birma, laut, geschäftig, fröhlich.

Es ist Vollmond, der Feiertag Tabaung. Viele Familien und Jugendliche strömen in den botanischen Garten, einst ein Sumpf, den 4000 türkische Kriegsgefangene trockenlegen mussten. Sie flanieren um den See mit seinen schwarzen Schwänen, picknicken im Schatten ausladender Bäume, spielen Gitarre und singen.

Am nächsten Morgen ruckelt der Zug in Richtung China. Die Fahrt nach Hsipaw wird sieben Stunden dauern, viel Zeit, die bukolische Landschaft zu betrachten. Büffel grasen in den Reisfeldern, Bauern buckeln unter ihren Strohhüten in der sengenden Sonne. Die Zeit rinnt angenehm dahin, bis plötzlich Bewegung in die träge Reisegesellschaft kommt. Touristen springen auf, packen ihre Kamera und sichern sich einen Platz an der offenen Tür oder am Fenster. In der Ferne kommen die Stahlträger des Gokteik-Viadukts in Sicht.

Im Schritttempo zieht die Diesellok die Waggons über die Brücke. Die Reisenden lehnen sich aus den Türen und fotografieren wie besessen. Vor drei Jahren war es noch verboten, Fotos von der militärisch bedeutenden Brücke zu schießen. Die Westler könnten ja Spione sein.

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