Abseits der Touristenpfade - Rigas etwas andere Museen

Riga (dpa/tmn) - Riga ist in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt. In der Altstadt werden deshalb noch mehr Touristen unterwegs sein als sonst. Viele von ihnen wissen wenig über lettische Geschichte.

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Das lässt sich ändern - vier Museen bieten sich dafür an.

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Maris Gailis steht auf der hölzernen Terrasse vor der Glasfassade des kleinen Hauses, das er hat bauen lassen. In Riga gibt es viele Häuser, die mit seinem Namen verbunden sind. Nachdem der ehemalige lettische Ministerpräsident Mitte der 90er Jahre aus der Politik ausschied, verdiente er eine ganze Zeit lang sein Geld als Bauunternehmer. Aber das ungewöhnliche Haus auf der kleinen Düna-Insel Kipsala bedeutet ihm mehr als so manches schicke Loft, das er saniert hat. Es ist ein Museum, das an Zanis Lipke erinnert, einen Letten, der während des Zweiten Weltkriegs Dutzenden Juden das Leben rettete - mit viel Mut und viel Fantasie.

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Als Maris Gailis nach Kipsala zog und Lipkes Geschichte kennenlernte, stand sein Entschluss bald fest: Das ist ein Mann, der es verdient, nicht vergessen zu werden. Gailis hat sich hinter die Finanzierung geklemmt, rund eine halbe Million Euro waren für das Gedenkstättenprojekt nötig. Drei Jahre dauerte die Bauzeit. Rechtzeitig vor dem Kulturhauptstadtjahr ist das Zanis Lipke Memorial im vergangenen Juli eröffnet worden.

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„Den Letten ist immer wieder vorgeworfen worden, an den Judenerschießungen beteiligt gewesen zu sein“, sagt Gailis. „Aber es gab auch viele, die Juden während der deutschen Besatzung geholfen haben.“ Mindestens 300 solcher Beispiele sind inzwischen dokumentiert. Gailis zeigt auf eine Riga-Karte, auf der Verstecke von Juden im Zweiten Weltkrieg verzeichnet sind. Ihre Helfer riskierten ihr eigenes Leben. So wie Zanis Lipke: Er hatte ein Holzhaus mit einem Schuppen auf dem Nachbargrundstück der Gedenkstätte. Unter dem Schuppen war eine Grube, drei mal drei Meter groß. Dort versteckte Lipke im Lauf der Zeit mehr als 50 Juden.

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Das Engagement, das Maris Gailis für die Zanis-Lipke-Gedenkstätte zeigt, ist Menachem Barkan mehr als vertraut: Der Rabbiner macht sich seit Jahren für ein Ghetto-Museum stark. Und er hat schon einiges erreicht. Barkan steht auf dem Museumsgelände vor einem grüngestrichenen Holzhaus mit zwei Erkerfenstern im Dach.

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Oben im ersten Stock liegen die Holzdielen blank. Ein Tisch, ein Stuhl, eine Holztruhe, ein Bett stehen dort, eine Kommode mit weißem Deckchen. Es sieht harmloser aus, als es war: „Jeder Bewohner hatte vier Quadratmeter Platz in so einem Haus“, erzählt Barkan.

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Auf Schautafeln sind Fotos von Häusern aus dem Ghetto zu sehen, das nur 500 Meter weiter begann. „Fünf Minuten von hier“, sagt Barkan. Andere zeigen jüdische Schulklassen und lettische Rabbiner. Barkan ist vor einem davon stehengeblieben: „Das war mein Onkel“, sagt er. Shaya Barkan, geboren 1914, Rabbiner in Gostini - er starb mit 27 Jahren. Im gleichen Zimmer hängen Puppen an der Decke, mit dem Gesicht nach unten. Sie stehen für das Spielzeug der Kinder, die im Ghetto leben mussten.

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Zu Lettlands Geschichte gehören viele dunkle Kapitel. Und die Erinnerung an die schlimmsten ist noch wach - auch wenn das vielen Touristen nicht klar sein dürfte. Einen Crashkurs gibt das Okkupationsmuseum, das sich den Verbrechen der Nazis und dem Sowjetterror gleichzeitig widmet. Untergebracht ist es nur ein paar Schritte vom Rathaus entfernt in einem merkwürdigen, dunklen Klotz. Auf dem Platz davor steht ein Denkmal, dem schon von weitem anzusehen ist, dass es aus sowjetischer Zeit stammt: Es ist den Roten Lettischen Schützen gewidmet, die im Ersten Weltkrieg gegen die deutsche Reichswehr kämpften.

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Auch das Barrikadenmuseum in Rigas Innenstadt gehört nicht zu den Klassikern beim Stadtrundgang und erinnert an einen Teil der lettischen Geschichte, der vielen Letten immer noch schmerzhaft bewusst ist: an die dramatischen Tage im Januar 1991, als sich der Konflikt zwischen lettischer Unabhängigkeitsbewegung und sowjetischen Truppen gefährlich zuspitzte.

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Die Treppe auf dem Weg in den ersten Stock knarrt. Oben kommen Besucher zunächst in einer Wohnung an, die zeigt, wie trist der Alltag in Vorwende-Zeiten war: Auf engstem Raum lebten damals zwei oder drei Familien, für Waschmaschine und Trockner war kein Platz und kein Geld, man wusch sich an einem Waschbecken in der Küche.

Poster zeigen die Forderungen der Demonstranten damals: „Schluss mit dem roten Faschismus“ heißt es da - und „Der Kampf geht weiter“. Das Museum will erklären, was 1991 passiert ist: Am 13. Januar gab es eine Großkundgebung mit 700 000 Menschen in Riga, die Lettlands Unabhängigkeit forderten und schließlich Barrikaden gegen die Sowjetarmee bauten. Auf den Straßen und auf dem Domplatz brannten Lagerfeuer.

Fotos zeigen zum Beispiel den ersten Demonstranten, der damals getötet wurde. Auch der Kameramann Andris Slapins wurde erschossen. Seine Filmaufnahmen werden im Museum gezeigt. Die Barrikaden blieben bis zum 27. Januar. Am 21. August wurde Lettland unabhängig. Seit Anfang des Jahres hat es den Euro eingeführt - und Riga ist Europas Kulturhauptstadt. Zum Programm gehören viele Veranstaltungen die an die Geschichte des Landes erinnern. Wer etwas Zeit für die Museen einplant, versteht gleich besser, warum.

Service:

Das Okkupationsmuseum ist bis Mai täglich außer montags von 11.00 bis 17.00 Uhr geöffnet und von Mai bis September täglich von 11.00 bis 18.00 Uhr, der Eintritt ist frei.

Das Ghettomuseum, Maskavas 14a, ist täglich außer samstags von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Das Zanis Lipke Memorial ist von dienstags bis freitags von 12.00 bis 18.00 Uhr und am Samstag von 12.00 bis 16.00 Uhr geöffnet. Das Barrikadenmuseum, Kramu iela 3, ist von Montag bis Freitag, 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.

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