Web 2.0: Ich chatte – also bin ich

Studie: Nahezu ein Drittel der Jugendlichen ist bereits im Internet gemobbt worden.

Düsseldorf. Sie kommen aus der Schule und fahren ihren Computer hoch. Mails abfragen, surfen, chatten - die meisten Jugendlichen besitzen nicht nur einen eigenen Computer, sondern pflegen ihr sogenanntes "Beziehungsmanagement" vermehrt über elektronische Medien. Wie kommunizieren Jugendliche im Internet? Dieser Frage geht eine Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) nach (Kasten).

Die LfM betritt mit der Studie "Heranwachsen mit dem Social Web" kein Forschungsneuland: Die Jim-Studie (Jugendliche in den Medien) hat bereits ähnliche Untersuchungen angestellt. Jürgen Brautmeier, stellvertretender LfM-Direktor, erklärt: "Wir wollen wissen, was da im Netz vorgeht". Aus den Ergebnissen will die LfM Forderungen an die Branche und die Politik ableiten.

Profilseiten auf Onlineplattformen wie StudiVZ oder MySpace sind ein zentraler Ort der Selbstdarstellung. Dort können Nutzer in verschiedenen Formen kommunizieren (persönliche Nachrichten, Grußnotizen auf der virtuellen Pinnwand), und auch Freundschaften im Cyberspace sichtbar machen. Es handelt sich um gruppenbezogene Kommunikation; nur ein Bruchteil der Informationen erreicht ein größeres Publikum. Entscheidend ist die Zutrittskontrolle bei diesen virtuellen Räumen.

Die Forscher betonen, dass es nicht um den exhibitionistischen Wunsch gehe, vielmehr veröffentliche man online, um zu existieren (writing oneself into being) - frei nach Descartes: "Ich chatte, also bin ich." Ingrid Paus-Hasebrink, eine der Herausgeber des Forschungsberichts, erklärt: "Es ist ein Dilemma: Ich muss private Daten preisgeben, um die Vorteile überhaupt nutzen zu können."

69 Prozent der Befragten nutzen Online-Communities, ebenfalls 69 Prozent nutzen Instant Messaging, das heißt zeitgleiche Kommunikation wie das Chatten. Vor allem die 15- bis 17-Jährigen nutzen das Social Web. Die meisten nutzen es freundschaftsbezogen oder einfach, um "dabei zu sein". Auch bei Gymnasiasten und Studenten bleibt die Attraktivität der Onlinemedien hoch. Gleichwohl sind sie es, die am kritischsten sind und ein Bewusstsein für die Risiken haben.

28 Prozent bejahten die Frage, ob sie schon einmal im Internet belästigt worden seien (Cyber-Mobbing). Von 13 Prozent seien Informationen oder Fotos ohne ihr Einverständnis ins Internet gestellt worden. Und neun Prozent hätten wiederum selbst schon Dinge online gestellt, über die sich jemand beschwert hätte.

Die jungen Leute wären in einer Gruppendiskussion zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angebote des Social Web auch demokratische Eigenschaften hätten. Es komme auf die Nutzer und deren Umgang im Internet an. Eine zentrale Rolle spiele dabei die Medienkompetenz.

Die will auch die LfM fördern. Ziel sei es beim Datenschutz und den Geschäftsbedingungen einer Online-Community größtmögliche Transparenz zu schaffen. Ein souveräner Umgang sei nur möglich, wenn eine Handlungsalternative gegeben sei. Die Entscheidungsoption müsse gleichsam auf dem Präsentierteller liegen - etwa, indem die technischen Voreinstellungen von vorneherein auf "ganz privat" stehen und der Nutzer sie eigenmächtig auf "öffentlich" umschalten muss, bevor er seine Daten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.

Die Kommunikation im Internet eröffnet eine Fülle von Möglichkeiten. In einem virtuellen, weltweiten Raum, in dem alles und alle miteinander vernetzt sind, kann eine friedliche und faire Kommunikation nur funktionieren, wenn es Regeln gibt und die Nutzer sich ihrer Verantwortung bewusst sind, diese Regeln einzuhalten. Medienkompetenz muss erlernt werden, sobald die Nutzer im Web unterwegs sind - und das ist heute zum Teil schon im Grundschulalter der Fall.

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