Telemedizin: E-Mails vom Herzen

Die Technik macht Nachsorge und Vorsorge besser. Doch wegen unklarer Finanzierung hakt derzeit die Einführung.

Düsseldorf. Ein Patient kommt zum Arzt und sagt: "Gestern ging es mir nicht gut." Der Arzt fragt nach, aber für eine genaue Diagnose müsste er große Geräte einsetzen. Für Wolf-Dieter Lukas, Abteilungsleiter Schlüsseltechnologien im Bundesforschungsministerium ist das "der Klassiker". "Besser wäre es doch, wenn der Arzt weiß: Ja, Sie hatten ein Vorhofflimmern."

In Schwabing ist das schon Realität. Die Herzpatienten von Prof. Stefan Sack haben keine normalen Herzschrittmacher in der Brust, sondern Kombi-Implantate mit Minicomputer und Mini-Antenne.

Sie senden per Funk automatisch alle EKG-Daten an ein spezielles Handy, genannt "Cardio Messenger". Der wiederum sendet die Daten an Stefan Sack. Der Chef der Klinik für Kardiologie und Pneumologie am Klinikum Schwabing kann sie am Computer abrufen oder wird von seinem Spezial-Handy per SMS informiert.

Für Sack ist das keine Technik-Spielerei, sondern ein enormer Fortschritt: Wir können das einsetzen bei Herzrhythmus-Störungen, bei Herzinsuffizienz, bei Bluthochdruck und zur Verbesserung der Medikamenteneinnahme." Verbessert werde also die Vorsorge und die Nachsorge.

Denn: "Die Zahl der Patienten mit implantierten Herzschrittmachern stieg zwischen 2003 und 2007 um 6,5 Prozent. Deren Nachsorge können wir auf konventionellem Weg in der Klinik kaum noch leisten." Und die Zahlen werden weiter steigen: Wenn die Menschen immer älter werden, wird es immer mehr chronische Krankheiten geben.

Schon längst sind Herz-Kreislauf-Krankheiten die häufigste Todesursache in Deutschland. Und die Behandlung chronischer Krankheiten macht bereits jetzt 75 Prozent aller Gesundheitsausgaben aus.

Telemedizin, so glaubt der Verband der Elektrotechnik, könnte allein bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen die jährlichen Kosten um mindestens ein Drittel senken. Bei Herzinsuffizienz etwa, einer Pumpschwäche des Herzens, könne man frühzeitig drohende Komplikationen feststellen, sagt Sack, und vorbeugend handeln. Auch die Patientenzufriedenheit mit der Technik sei hoch: "52 Prozent fühlen sich damit sicherer."

Doch die Technik ist noch nicht in der allgemeinen Medizin angekommen. Es gibt keine geregelte Kostenerstattung, nur Einzelfallentscheidungen einzelner Krankenkassen. Einer der Pioniere ist die Firma Biotronik aus Berlin, deren Telemonitoring-System für den Deutschen Zukunftspreis 2009 nominiert ist.

"Wir haben vor neun Jahren den ersten Herzschrittmacher mit mobiler Ferndatenübertragung implantiert", sagt Hans-Jürgen Wildau von Biotronik Health Services. Allein durch die Fernnachsorge könnten bei Herzpatienten 43 Prozent der Klinikbesuche entfallen - bei gleicher Patientensicherheit.

Aber Telemedizin ist teuer. Derzeit kostet allein die Hardware etwa 20000 Euro. Dazu braucht man ein Service-Center, in dem Fachpersonal die Daten analysiert und im Notfall Hilfe anfordert. Denn kein Arzt kann rund um die Uhr am Computer seine Patienten beobachten.

Die weitere Vernetzung wird ab diesem Monat in Aachen erprobt: Ein Notarztwagen des Rettungsdienstes wird 40 Stunden pro Woche per Funktechnik an ein mit Tele-Notärzten besetztes Kompetenzzentrum angebunden. Alle Daten des Intensivmonitors werden übertragen.

In Bad Neustadt werden in dem Forschungszentrum für Informatik-Projekte (FZI) "Stroke Angel" und "Cardio Angel" die Notfalldaten von Schlaganfall- und von Herzinfarktpatienten vom Notarztwagen an die Zielklinik gefunkt. "Das verkürzt die Zeit bis zur Behandlung teilweise um 30 Prozent", sagt Carsten Holtmann vom FZI.

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