Technik: Die Plagen der mobilen Welt

Viele fühlen sich ohne Handy verloren. Ruhephasen gibt es nur noch selten.

Düsseldorf. Intercity Frankfurt - Köln. Es könnte eine entspannte Zugfahrt werden. Wäre da nicht das ständige Handyklingeln, das quer durch das Großraumabteil aus allen möglichen Ecken zu hören ist.

Gegenüber scheint sich via Funk eine Ehekrise anzubahnen und alle hören mit. Direkt nebenan arbeitet ein offenbar gestresster Manager seinen telefonischen Terminkalender ab. Plötzlich herrscht Funkstille, der Zug fährt durch einen Tunnel.

Irgendwie drängt sich der Gedanke auf, dass das ruhig noch 100 Kilometer so weiter gehen könnte. Wäre da nicht dieses flaue Gefühl im Magen, selbst nicht zu wissen, ob sich die Freundin wirklich die richtige Zeit für den Empfang auf dem Bahnsteig aufgeschrieben hat.

Der Zug rollt aus dem Tunnel und der erste Gedanke gilt dem Handy. Noch schnell die Freundin anrufen. Aus dem Telefonat wird dann doch noch eine längere Geschichte - und alle hören wieder mit.

Wie ruhig muss es in Zugabteilen gewesen sein, als es das Handy noch nicht gab. Die mobile Kommunikation hat uns längst im Griff.

Und nicht nur das: Sie diktiert unseren Tagesablauf. Rund um die Uhr erreichbar sein, noch mitten in der Nacht E-Mails auf dem BlackBerry empfangen - das gehört zu den Errungenschaften moderner Technik.

Aber die hat auch Nachteile, die längst über die sprichwörtlichen heißen Ohren hinausgehen. "Mobiltelefonierer stehen pausenlos unter Aktivitätsdruck.Ununterbrochen werden sie zu unterschiedlichsten Zeitverdichtungsakrobatiken genötigt, bis sie schließlich im Beschleunigungsgefängnis des ,Nie genug’ landen", meint Pädagogikprofessor Karlheinz Geißler.

Wer immer und überall erreichbar sein will, setzt sich einem hohen Stressniveau aus. Als "Dienstboten ihrer Geräte" rechnen die Mobilverbundenen jederzeit damit, abrupt unterbrochen zu werden.

"Kommunikationstechnologien sind digitale Zeitdiebe und Hausbesetzer, die unser Leben ungefragt erobert haben", glaubt auch die Kommunikationsexpertin Miriam Meckel.

Dass Laptop, BlackBerry und Handy rund um die Uhr im Einsatz sind, hat nicht nur unsere Arbeit, sondern unser Leben verändert. Die Grenzen zwischen Tätigsein und Freizeit verschwimmen.

"Wir müssen ein neues Verhältnis zwischen unserer On- und Off-Zeit finden. Wir können nicht ständig auf Standby sein. Das frisst Energie und ist auch fürs Klima schädlich - vor allem fürs zwischenmenschliche", findet Meckel.

Ständige Erreichbarkeit bedeutet für alle Familienmitglieder, zwar irgendwie physisch präsent, aber trotzdem immer wieder abgelenkt zu sein.

Am Frühstückstisch, beim Spaziergang oder im Urlaub: Ein entspanntes Miteinander ist so kaum möglich. Im Gegenteil. Via Handy kann zwar vieles aus der Entfernung geregelt, aber auch mindestens genauso viel kontrolliert werden.

Besorgte Eltern wollen via Handyortung wissen, wo sich ihre Lieblinge aufhalten - und Eheleute, wo sich ihre vermeintlich untreuen Partner herumtreiben. Für die Anbieter von Handyortungen gibt es einfache Möglichkeiten, die Privatsphäre der Menschen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus zu schützen.

"Der Klassiker ist die Kontrolle der eigenen Ehefrau. Wir schicken deshalb immer wieder mal eine Nachricht per sms, dass das Handy zur Ortung angemeldet ist", sagt Stefan Heimerl, von der Firma Mecomo.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort