„Simsen“: Jeder macht’s, jederzeit

Die Kurzmitteilung feiert 15. Geburtstag. Anfang Dezember 1992 wurde die erste Kurzmitteilung als Testläufer von einem britischen PC versandt. Etwa 280 Nachrichten verschickt derzeit jeder Bundesbürger jährlich.

Berlin. Angela Merkel macht es regelmäßig. Aus ihrer Liebe zum Verschicken von Kurzmitteilungen macht die Kanzlerin keinen Hehl. Und sie befindet sich in bester Gesellschaft. 22,4 Milliarden SMS haben die Bundesbürger im vorigen Jahr verschickt. Das sind für jeden im Durchschnitt 280 jährlich. "Damit liegen die Deutschen an der europäischen Spitze", sagt Manfred Reul, Telekommunikationsexperte beim Bundesverband Bitkom.

15 Jahre wird die SMS in diesen Tagen alt. Anfang Dezember 1992 wurde die erste Kurzmitteilung als Testläufer von einem britischen PC versandt. Seit zwei Jahre später die Mobilfunk-anbieter SMS-fähige Handys auf den Markt brachten, stehen deutsche Daumen nicht mehr still.

"Wir zählten von Anfang an zur weltweiten Spitze beim "Simsen", erzählt Manfred Reul. Nur die Briten tippen offenbar noch exzessiver. Mit 1 Milliarde SMS pro Woche liegen sie klar vorn. "Der richtige Boom begann mit Einführung der Prepaid-Handys 1999", so Reul. "Von da an wurde die SMS-Kommunikation kostengünstiger und die Geräte wurden komfortabler."

Dass die SMS zum Teil unseres täglichen Lebens geworden ist, habe verschiedene Gründe, meint der Düsseldorfer Diplom-Psychologe Michael Friedrich. "Man kann vor allem schnell und mit Distanz kommunizieren. In unsere unpersönliche Gesellschaft passt das einfach hinein." Der Vorteil sei für viele Handynutzer, dass man einerseits immer erreichbar sei, sich zum anderen aber nicht so "festlege" wie bei einem Telefonat: "Es ist eine Art Nicht-Kommunikation. Man muss nicht sprechen und nicht antworten."

Wer seine Sozialkontakte allerdings auf die 160-Zeichen-Nachricht beschränkt, läuft Gefahr, irgendwann zu vereinsamen. "Ähnlich wie beim Chatten am PC kann die ausschließliche Kommunikation via SMS spürbaren Kontaktverlust zur Folge haben", warnt Friedrich. Auch die Intimität bleibe beim Verschicken der Kurzmitteilungen häufig auf der Strecke: "Es ist ja schon Gang und Gäbe geworden, Gefühle virtuell und nicht mehr unter vier Augen auszudrücken."

Im ungünstigsten Fall führt die "Simserei" direkt in die Abhängigkeit. "Es geht hier nicht um die Sucht nach irgendeinem Stoff, sondern nach Anerkennung und dem Gefühl, wichtig zu sein", klärt der Experte auf. Die Betroffenen können die Augen nicht vom Mobiltelefon lassen und müssen ständig erreichbar sein.

"Handynutzer sollten Kurznachrichten maßvoll verschicken", empfiehlt Friedrich. "Vor allem aber sollten sie über die virtuelle die reale Kommunikation nicht vergessen - mit einem direkten Gegenüber."

Kontaktverlust und Vereinsamung hin oder her - die SMS ist weiter auf Erfolgskurs. Der Bundesverband Bitkom schätzt, dass bis Ende dieses Jahres schon 23 Milliarden Kurzmitteilungen durch die Mobilfunknetze gejagt wurden. "Auch die Email übers Handy oder Multimediale Nachrichten, also MMS, werden die SMS nicht verdrängen", meint Telekommunikationsexperte Manfred Reul.

SMS: Der Short Message Service (englisch für "Kurznachrichtendienst") ist ein Telekommunikationsdienst zur Übermittlung von Kurzmitteilungen. Ursprünglich sollte der Dienst Netzstörungen oder ähnliche Informationen an Nutzer senden. Heute werden in Europa über 20 Milliarden Kurzmitteilungen pro Monat durch die Netze gejagt. Die Abkürzung SMS steht bereits im Duden.

Kosten: In Deutschland bezahlen Handynutzer für das Versenden von SMS von fünf bis 19 Cent. In Italien dagegen kostet eine Nachricht 15 Cent, in Dänemark umgerechnet nur drei Cent. Aufgrund des Preiskrieges, der derzeit unter den Mobilfunkanbietern herrscht, ist in Deutschland mit weiter fallenden Preisen zu rechnen.

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