Vorsicht Falle: Schlauchpflanzen im eigenen Garten

Stuttgart (dpa/tmn) - Pflanzen dienen Tieren als Nahrung - normalerweise. Doch manchmal ist es auch umgekehrt: Schlauchpflanzen mit ihren bizarr gerundeten, exotisch anmutenden Blättern sind Tierfallen im heimischen Garten, im Wintergarten und in der Wohnung.

Ihre Blätter haben sich zu hohlen Schläuchen eingedreht. Zum Grund hin verengen sie sich, oben bleiben sie einladend offen und locken mit betörenden Farben und süßem Nektar Insekten an. Das ist die Falle der Schlauchpflanzen (Sarracenia). In ihre Blätter fällt „so ziemlich alles, was rein passt“, erläutert Diether Gotthardt, Technischer Leiter des Botanischen Gartens der Universität Stuttgart in Hohenheim.

Die Insekten kommen nicht wieder hoch, denn feinste, abwärts gerichtete Haare im oberen Teil des Tunnels halten sie unten. „Hierein werden von den Pflanzen Verdauungsenzyme abgegeben, die auch im menschlichen Magen vorkommen“, sagt der Züchter und Buchautor Thomas Carow. Bakterien unterstützen den Zersetzungsvorgang.

Ihre Fallen geben der Schlauchpflanze einen entscheidenden Vorteil in der Natur: Denn anders als die meisten Pflanzen sind sie Produzenten und Konsumenten gleichermaßen. Sie betreiben Photosynthese, erzielen aber gleichzeitig durch die Verwertung der Eiweiße der Insekten eine wertvolle Zusatzversorgung. Diese ermöglicht ihnen auf nährstoffarmen Böden ein üppiges Blühen.

Ihr botanischer Name Sarracenia geht auf den französisch-kanadischen Arzt und Naturforscher Michel Sarrazin zurück (1659 - 1734). Ursprünglich stammen sie vom amerikanischen Kontinent. Sieben Arten gibt es laut Carow zwischen Neufundlands Norden und dem Golf von Mexiko. Über 200 Kreuzungen sind zudem bekannt. Manche Arten haben aufrechte Schläuche, andere niederliegende. Im Frühjahr bilden sie Blüten mit einem schirmartigen Griffel und langen Blütenblättern.

Alle Arten können - wie viele andere Carnivoren, die sogenannten fleischfressenden Pflanzen - hierzulande wachsen. Im Wohnraum halte man sie am besten in einem Terrarium und beleuchte sie zusätzlich, rät Carow. Im Winter sollten sie in einem kühlen Raum ohne trockene Heizungsluft stehen.

Sarracenien brauchen so viel Licht wie möglich und mögen saures Pflanzensubstrat. Gotthardt empfiehlt Erde aus sechs Teilen Weißtorf, zwei Teilen Perlite und einem Teil Quarzsand. Bewässert wird im Anstau, also von unten bis zu einer Höhe von etwa zwei bis drei Zentimetern. Das Substrat sollte nie austrocknen. Gar nicht vertragen Schlauchpflanzen Leitungswasser, da es hart und mineralienreich ist. Stattdessen lieber entmineralisiertes Wasser oder Regenwasser nehmen.

Im Garten können hierzulande vor allem die nördlichen Arten wie die Rote Schlauchpflanze (Sarracenia purpurea), die Grüne Schlauchpflanze (Sarracenia oreophila) und die Gelbe Schlauchpflanze (Sarracenia flava) wachsen. Auch die Blasse Schlauchpflanze (Sarracenia alata), die Geflügelte Schlauchpflanze und die Alabama-Schlauchpflanze (Sarracenia alabamensis) gedeihen dort. Empfindliche Arten wie die Weiße Schlauchpflanze (Sarracenia leucophylla) mit schlanken weiß-purpurnen Schläuchen oder die Papageien-Schlauchpflanze müssten im Winter abdedeckt werden, sagt Carow.

Wie das in der Natur so ist, können hier so hinterlistige Pflanzen wie die Sarracenien auch selbst zu Opfern werden. Schnecken fressen sie an, Krabbenspinnen und Meisen stehlen ihnen sogar die Beute aus den Kelchen. Und in Nordamerika haben sich ebenso listige Mücken und Mottenlarven sogar darauf spezialisiert, in den Schläuchen zu leben und sich dort von den toten Insekten zu ernähren.

Literatur:

Thomas Carow: Karnivoren: Die Welt der fleischfressenden Pflanzen, Ulmer Verlag, 192 S., ISBN 978-3440119037, 39,90 Euro.

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