Naturkosmetik: Das grüne Wirrwarr durchschauen

Mannheim (dpa/tmn) - Eine Creme mit Kamillen-Extrakt, ein Deo aus Rosenwasser, eine Zahnpasta mit Orangenblüten: Naturkosmetik klingt gut. Und sie verspricht viel: Sie will gut für die Haut und die Umwelt sein.

Doch wie sieht die Praxis aus?

Mineralöl im Lippenstift oder Aluminium im Deo: Wer seine Haut ohne chemische Zusätze pflegen möchte, greift gerne zur Naturkosmetik. „Doch nicht überall, wo Natur drauf steht, ist auch Natur drin“, warnt Jenny Pohl, Sprecherin des Bundesverbandes deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel (BDIH) in Mannheim.

„Leider nutzen einige Hersteller das wachsende Bedürfnis nach mehr Natürlichkeit, um Produkte als 'bio', 'natural' oder 'organic' zu bewerben, die nur wenige natürliche Zusätze enthalten.“ Diese Produkte seien etwa mit Substanzen auf Mineralölbasis angereichert. „Dieses Phänomen des Green Washing führt Verbraucher zunehmend in die Irre“, sagt Pohl.

Birgit Huber vom Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW) in Frankfurt stimmt dem zu: „Das Adjektiv 'natürlich' in der Produktbezeichnung oder die Abbildung einer Blüte bedeuten nicht automatisch, dass es sich bei diesem Produkt um Naturkosmetik handelt.“ Ein roter Faden im grünen Wirrwarr sind hingegen Qualitätssiegel für Naturkosmetik, wie etwa das schwarze Siegel des BDIH, die Plakette mit einem Gesicht von NaTrue oder der Hinweis von Ecocert.

Doch diese Siegel kann man schlichtweg nicht auf Kosmetikprodukten aller Bereiche finden, erläutert BDIH-Expertin Pohl. „Eine stark aufhellende Farbe, die Platinblond ins Haar zaubern soll, ist mit rein natürlichen Mitteln schlichtweg nicht erreichbar.“ Selbst wenn die Verpackung groß Litschi-Extrakt auslobe, sei mit Sicherheit auch Wasserstoffperoxid im Spiel. Auch Sonnenschutzmittel oder dekorative Kosmetika gehörten zu diesen Produkten.

Und - trotz aller hehren Vorsätze - nicht jeder kann auch Naturkosmetik verwenden. Auch wenn Reizstoffe wie künstliche Duftstoffe oder Haltbarmacher fehlten, wer etwa gegen Kamille allergisch ist, verträgt unter Umständen auch eine Kamille-Creme nicht. „Es wird oft angenommen, dass Naturkosmetik ein wesentlich höheres Allergiepotenzial mit sich bringt“, sagt etwa Catharine Banach vom Deutschen Wellness Verband in Düsseldorf. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte daher darauf verzichten.

Aufschluss über die Inhaltsstoffe gibt die sogenannte INCI-Liste (Internationale Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe) auf der Verpackung, die europäische Hersteller laut Gesetz auflisten müssen. Apotheker können die biologischen oder chemischen Bezeichnungen auch übersetzen oder erklären.

Grundsätzlich seien jedoch Naturkosmetik und konventionelle Kosmetik „aus wissenschaftlicher und rechtlicher Sicht gleichwertig“, sagt Branchenkennerin Huber. Dies gelte auch für die Verträglichkeit. Verbraucher lassen sich daher - egal ob beim Kauf von Natur- oder herkömmliche Kosmetik - am besten fachkundig beraten und eine Hautanalyse durchführen.

Auch in Sachen Wirksamkeit stehen die Naturkosmetika anderen Pflegeprodukten heute nicht mehr nach - einzelne natürliche Wirkstoffe seien sogar besser als die chemischen, berichten die Experten. So konnte beispielsweise unlängst eine Apotheken-Bio-Marke nachweisen, dass ätherisches Zitronengrasöl fünfmal stärker wirke als der synthetische Anti-Pickel-Wirkstoff Salicylsäure.

Ähnliches gilt für die Haltbarkeit: „Vorbei sind die Zeiten, in denen die Cremes in winzigen Töpfchen angerührt und in kleinen Hinterzimmern abgefüllt wurden“, sagt Pohl. Jedoch lassen alle Naturkosmetiksiegel außer Demeter auch naturidentische Konservierungsmittel zu.

Qualitativ gleichwertig, ähnlich wirksam, lange haltbar - die Unterschiede von Natur- und herkömmlichen Kosmetikprodukten scheinen nicht mehr so groß zu sein. Und das gilt auch für ihren Nutzen für die Umwelt, erläutert Catharine Banach. Denn Naturkosmetik könne nicht in unbegrenzten Mengen von allen globalen Kosmetikherstellern produziert werden. „Mittlerweile sind 15 000 weltweit für Nahrung, Kosmetika und Arzneimittel genutzte Pflanzen in ihrem Lebensraum bedroht.“ Allerdings, fügt Jenny Pohl an, würden viele Naturkosmetikhersteller daher schon seit Jahrzehnten nachhaltig wirtschaften.

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