Neuer Topf statt Tonne Adoptions-Service für Gummibaum & Co.

Bonn (dpa) - Ein riesiger Goldkugelkaktus neben dem anderen: Andreas Frädrich könnte eine ganze Kompanie unliebsamer Damen mit den stacheligen Gewächsen versorgen, die auch „Schwiegermuttersessel“ genannt werden.

Neuer Topf statt Tonne: Adoptions-Service für Gummibaum & Co.
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Der Berliner hat in Tegel noch unzählige andere Pflanzen zusammengetragen.

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Königinnen der Nacht, Elefantenfüße, Zitronen- und Feigenbäume, Yuccapalmen, Wandelröschen, Agaven, Birkenfeigen, Gummibäume. Alles, was zu groß geworden ist für Wohnzimmer, Balkone und Gärten in Berlin und Brandenburg.

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Seit einem Jahr bietet der 46-Jährige am Humboldt-Schloss seinen Service an: Er holt die Pflanzen kostenlos ab, päppelt sie auf, verkauft oder vermietet sie. „Manchmal fließt bei den Vorbesitzern eine Träne“, sagt Frädrich. Aber am Ende seien alle froh, dass ihre Pflanzen nicht auf dem Müll landen. „Oft haben die Menschen jahrzehntelang mit ihnen gelebt. Da fällt es schwer, sie abzugeben“, so Frädrich.

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Mit seinem Projekt will der gelernte Landschaftsgärtner und Pflanzenretter einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten: „In Deutschland wird alles recycelt. Nur Pflanzen nicht“. Außerdem seien Massenproduktion und Ferntransporte schädlich fürs Klima. Die Nachfrage nach seinem Projekt sei riesig. Ständig klingele das Telefon. Zu etwa 400 Abholaktionen sei er schon ausgerückt, sagt Frädrich. Auch die Vermietung der Pflanzen an Veranstalter, Filmleute oder Gastronomen laufe gut. Gewächse, die keiner mehr haben will, finden einen würdigen Platz - im Garten entledigter Pflanzen, den Frädrich „Eden“ nennt. Als weiteres Standbein bietet er einen Überwinterungsservice für Pflanzen an.

Neu ist die Idee, Pflanzen vor dem Müll zu bewahren, nicht. Die Künstler Haike Rausch und Torsten Grosch aus Frankfurt am Main haben bereits 2009 ihre „Pflanzenklappe“ erfunden und aufgestellt, in der verwaiste Exemplare anonym abgegeben werden konnten. Sie ist Teil des Projekts „Botanoadopt“, bei dem die beiden Künstler Pflanzen an neue Besitzer vermitteln - inzwischen hauptsächlich über die Internetseite und eine App. „In Frankfurt und Gießen haben wir zudem feste Adoptionsbüros“, sagt Haike Rausch.

Von den Künstlern erhält jedes Gewächs einen Namen, eine Biografie. Wer es übernimmt, verpflichtet sich, es nicht weiterzukaufen und gebührend zu behandeln. „Mittlerweile wurden über 1000 Pflanzen an neue Adoptiveltern vermittelt“, berichtet Rausch.

Sowohl der Berliner als auch die Frankfurter Pflanzenretter wurden für ihr Engagement bereits mit Preisen ausgezeichnet. Auch die Pflanzenmarktexpertin Britta Tröster von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn hält die Projekte für eine „spannende Sache“. Allerdings könne hier nur eine Nische bedient werden. Im vergangenen Jahr gaben die Deutschen demnach für Zimmerpflanzen rund 1,5 Milliarden Euro aus.

„Dem Handel schaden solche Projekte überhaupt nicht“, ist auch Frank Zeiler, Geschäftsführer des Verbands des Deutschen Blumen-Groß und Importhandels, überzeugt. Im Gegenteil. Auch er hält die Idee für eine gute Sache. „Eine Pflanze hat immer eine Geschichte. Umso schöner, wenn sich jemand um sie kümmert“, so Zeiler.

Der Verkaufstrend für neue Zimmerpflanzen war laut AMI in den vergangenen Jahren rückläufig: 2010 gaben die Menschen demnach noch rund 1,6 Milliarden Euro aus. Aus Sicht Trösters könnte es aber wieder bergauf gehen. „Die Weichen sind gestellt“, so die Expertin.

Buchautor Klaus Wagener (Architektur & Pflanze) beobachtet bereits jetzt ein wieder steigendes Interesse: „Der Stellenwert ist wachsend. Pflanzen schaffen Wohlbefinden und bilden - zusammen mit dem passenden Gefäß - auch eine schöne Aufwertung des Wohnraumes. Das ist vielen Menschen heutzutage wichtig“, so der Florist.

Ausrangierten, zum Teil „altmodischen“ Exemplaren, wie sie die Pflanzenretter vermitteln, gibt er dabei durchaus gute Chancen: „Genau, diese „alten“ Klassiker kommen wieder. Retro ist halt auch Trend. Auch Ampelpflanzen sind wieder im Trend“, so Wagener. Auch Makramee-Gehänge der 1970er-Jahre und Kakteen seien wieder zurück.

Der Autor Igor Josifovic („Wohnen in Grün“) widmet dem Leben mit Pflanzen einen Blog im Internet (Urban Jungle Bloggers) und versammelt hier eine weltweite Gemeinschaft von Pflanzenfreunden. Auch er beobachtet eine Rückkehr der Zimmerpflanzen in deutschen Wohnungen. „Es ist die Wiederentdeckung der Natürlichkeit. Pflanzen sind ja nicht nur dekorativ, sondern sorgen auch für ein gesundes Raumklima“, so Josifovic. Zudem strahlten Pflanzen eine gewisse Ruhe aus - gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit ein gutes Mittel zur Entschleunigung.

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