Möbel aus Pappkarton: Schick und umweltfreundlich

Oldenburg (dpa/tmn) - Pappmöbel sind stabiler als man es ihnen zutraut. Sogar ein Bett aus dem Material kann man kaufen. Die Möbel sind außerdem leicht und schnell zusammenzubauen. Trotzdem taugen sie eher als Einzelstück und ersetzen keine massiven Möbel.

Das perfekte Möbelstück ist stylisch, preiswert, stabil und zu 100 Prozent recyclingfähig. Bleibt das ein Wunschtraum der Branche? Nein - denn Pappmöbel können das schon alles. „Möbel aus Pappe sind eine sinnvolle Investition, die sich vom Nutzen-Kosten-Aufwand definitiv lohnen“, sagt die Wohnexpertin Katharina Semling in Oldenburg. Außerdem sind die Möbel aufgrund des geringen Materialgewichts und Volumens sehr praktisch bei Umzügen.

Genau das war das Anliegen von Peter Raacke, der bereits 1966 die erste Pappmöbelserie weltweit auf den Markt brachte. „Die Serie war damals für junge Leute gedacht, die sich noch nicht entscheiden können, wo sie wohnen. Mobilität war damals angesagt“, erzählt der Designer aus Berlin. Ein Sessel kostete 18 Mark, ein Regal 25 Mark.

Auch heute sind die Preise für Pappmöbel immer noch verhältnismäßig niedrig. „Eins der bekanntesten Stücke ist das Bett 'Dream' von Stange Design“, erläutert Semling. Das Bett kostet weniger als 100 Euro. Der durchschnittliche Preis für Pappmöbel liegt bei 20 bis 1000 Euro. „Natürlich muss man unterscheiden zwischen Serienproduktion und einzelnen Designerstücken“, erläutert Petra Oelschlägel die Preisspanne. Sie ist die Kuratorin der Ausstellung „Einrichten. Leben in Karton“ der Villa Zanders in Bergisch Gladbach.

„Die Möbel sind sehr innovativ und aktuell im Design“, sagt Oelschlägel. Das liegt an den vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten von Pappe. Die ursprünglich flache Pappe erlangt durch Falzung und Kleben eine Dreidimensionalität, die zudem höchst stabil ist. „Aus einem Kilo Rohmaterial wird eine bis zu tausendfache Tragfähigkeit erreicht“, erläutert Semling.

Der Form und Funktion dieser Möbel sind keine Grenzen gesetzt. „Die neuesten Trends sind zum Beispiel die Tütenlampen 'Bagalights' oder der 'edge table' von Liquidesign, der Tisch 'Wannabee' von Pulpo und sogar Tiermöbel wie der 'Catcocoon' von One Form Design“, sagt Semling. Zu kaufen gibt es die meisten Möbel aber nur im Internet.

Pappmöbel gibt es bedruckt oder in ihrer natürlichen Optik zu kaufen. „Das ermöglicht auch eine individuelle Gestaltung. Man kann den Stücken mit Dispersionsfarbe oder Wachsmalstiften eine persönliche Note verleihen“, rät Semling. Dieser Aspekt reizt nicht nur künstlerisch Begabte, sondern auch Kinder.

Wer Bedenken hat, die Möbel könnten sich im Kinderzimmer als kurzlebig erweisen, sollte sich nicht täuschen lassen. „Ich weiß noch, dass Kinder die Möbel sprichwörtlich drangsaliert haben, indem sie darauf herumgesprungen sind“, erzählt Raacke. Das habe den Möbeln aber nichts angehabt. Im Alltag nutzten sich die Möbel zwar regulär ab, aber Dellen seien nicht zu erwarten. Die Abnutzung bringt auch eine heute angesagte Patina mit sich. Nicht einmal Wasser stellt ein Problem da, wenn die Möbel mit speziellen Lacken versehen sind. Für die tägliche Nutzung im Bad sind die Designerstücke dann aber doch nicht geeignet.

Die meisten Kartonmöbel sind zum Selbstaufbau gedacht. „Das ist aber ganz leicht und man benötigt obendrein kein Werkzeug“, erklärt die Wohnexpertin. Außerdem nehmen die Möbel zusammengefaltet fast keine Lagerfläche ein. Ein weiterer Vorteil ist die Umweltverträglichkeit. „Das sind pfiffige Sachen aus einem ökologisch hervorragend vertretbaren Werkstoff“, betont Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie in Bad Honnef bei Bonn.

Genau diesen Aspekt macht sich unter anderem das Unternehmen A4Adesign zunutze. Die Regale, Tische und Sitzgelegenheiten bestehen aus recyceltem oder recyclingfähigen Wabenkarton. „Wichtig ist auch, dass die neugewonnene Pappe aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammt“, erklärt Geismann. Am Ende können die Möbel dem Altpapier zugeführt oder thermisch verwertet werden. Das heißt, es lässt sich zusätzlich Energie durch Verbrennung gewinnen.

Dennoch haben Pappmöbel einige Nachteile. Sie werden zum Beispiel mit der Zeit ein bisschen speckig. „Ich finde Pappmöbel toll, schick und witzig, aber wenn ich mir das für eine Familie vorstelle, dann muss man abwägen“, sagt Oelschlägel. Massive Möbel ersetzen können sie nicht. Pappmöbel sind vor allem als Einzelstücke echte Hingucker.

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