Kippeln erlaubt - Designerstühle für einen gesunden Rücken

Selsingen (dpa/tmn) - Am Ende eines langen Arbeitstages schmerzt der Rücken, die Beine sind schwer und steif. Designer-Stühle können durch Kippen und Schaukeln diesen Beschwerden gezielt entgegenwirken.

Studien zufolge verbringt der Mensch 9,3 Stunden pro Tag mit dem Sitzen auf Stühlen oder Sofas. Besonders langes Sitzen am Stück im Büro, in der Schule oder zu Hause ist nicht gesund. „Sitzen ist generell eine Belastung für den Körper“, erklärt Detlef Detjen von der Aktion Gesunder Rücken (AGR) in Selsingen in Niedersachsen. Denn wenn das Möbel nicht richtig an die individuellen Körpermaße angepasst ist, wirke sich das negativ auf den Rücken aus und führe zu Unwohlsein. Namhafte Designer haben sich mit dem Thema beschäftigt und zeigen neue Ansätze im Stuhldesign.

Der Stuhl „Pro“ des Münchner Designers Konstantin Grcic für den Hersteller Flötotto sieht unspektakulär aus: Er besteht aus einer einfachen Kunststoffschale und einem Untergestell aus Stahlrohr. Doch der „Pro“ ist trotz seiner Schlichtheit eines der interessantesten Möbelprodukte der vergangenen Jahre. Denn es setzt auf sehr reduzierte Art das von Ergonomen empfohlene Konzept des bewegten Sitzens um.

Der Bewegungsmangel beim Sitzen verursacht Störungen des Fettstoffwechsels, die Ursache sind für Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit sowie Herz- und Kreislauferkrankungen. Gesundheitsexperten raten deshalb, nicht dauerhaft still zu sitzen, sondern sich auf dem Stuhl zu bewegen. „Der Mensch sollte nicht statisch, sondern bewegt sitzen“, sagt Dieter Breithecker von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung.

Das Sitzen in Bewegung regt die Durchblutung an und beugt Verspannungen vor. Das steigert sogar die Konzentration und Leistungsfähigkeit. Bei hochwertigen Bürostühlen ist das Konzept des dynamischen Sitzens vielfach umgesetzt. Die Produkte verfügen über aufwendige Mechaniken, die die Bewegung des Körpers in alle möglichen Richtungen unterstützen. Diese Art von Arbeitsstühlen ist wegen des hohen Konstruktionsaufwandes aber sehr teuer.

Der einfache Stuhl „Pro“ war ursprünglich als reiner Schulstuhl konzipiert und durfte daher einen bestimmten Kostenrahmen nicht überschreiten. Grcic verzichtet deshalb auf aufwendige Technik und konzentriert sich ganz auf die Form. Das Modell hat eine runde Sitzfläche, der Benutzer hat dadurch eine große Beckenfreiheit und kann sich auf dem Stuhl in alle Richtungen bewegen. Die flexible, nach hinten ausgewölbte Rückenlehne schafft zusätzliche Bewegungsfreiheit.

Zeitgleich zur Entwicklung des „Pro“ haben die britischen Designer Edward Barber und Jay Osgerby den Stuhl „Tip Ton“ für Vitra entworfen. Das Kunststoffmodel ist nur aus einer einzigen Gussform gefertigt. Die Kufe des Untergestells ist vorne angeschrägt. Dadurch kann der Benutzer vorwärts wippen, ohne dabei umzufallen. Das Kippeln ist gesund. Denn der statische Druck auf dem Rücken verringert sich.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert der Klassiker „Panto Swing“, den der Designer Verner Panton für die Vereinigte Spezialmöbelfabriken entwickelt hat. Auch der „PantoSwing“ ist als Schulstuhl konzipiert worden. Der Freischwinger kann sich nach hinten und vorne bewegen. Wie beim „Tip Ton“ kann der Nutzer so den Rücken entlasten und zusätzlich eine nach vorne geneigte Position einnehmen.

All diese Designer verzichten auf aufwendige Mechanik, um das bewegte Sitzen umzusetzen. Sie wollen damit die Arbeitsstühle im Büro nicht ersetzen, zeigen aber einen anderen Ansatz. Und die minimalistischen Sitzmöbel müssen als Schulstühle auch für junge Benutzer geeignet sein.

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