ANZEIGE Brustkrebsvorsorge Wenn Hände Krebs erspüren

Die Taktilografie optimiert die Brustkrebsfrüherkennung. Die Methode wird von blinden Untersucherinnen mit ihrem feinen Tastsinn durchgeführt.

 Die Medizinischen Tastuntersucherinnen üben während der Ausbildung auch an einer künstlichen Brust.

Die Medizinischen Tastuntersucherinnen üben während der Ausbildung auch an einer künstlichen Brust.

Foto: picture alliance / dpa/Peter Endig

Mirell Gräßer hat ihre Patientin persönlich im Wartezimmer abgeholt und geht voran. Der Raum ist klein, aber gemütlich. Dezentes, warmes Licht sorgt für eine angenehme Atmosphäre. Neben einem Tisch mit Computer gibt es eine Untersuchungsliege. Mirell Gräßer setzt sich an den Schreibtisch und erfragt zuerst die Daten ihrer Patientin. Tippt dann alles rasch in den Computer ein. Auf den ersten Blick stellt man nicht fest, dass sie nichts sieht. Denn Mirell Gräßer ist blind, seit sie ein Säugling war. Sie leidet an einer Sonderform der Netzhauterkrankung Retinitis pigmentosa. Und was macht sie dann hier, in einer Frauenarztpraxis? Ganz einfach: Sie arbeitet in der Brustkrebsfrüherkennung – und das bereits seit fast 13 Jahren.

Zuvor war sie als Telefonistin tätig und nutzte dann die Chance, dank des Inklusionsprojektes „Discovering Hands“ einen ganz anderen Berufsweg einzuschlagen. Sie war deutschlandweit eine der ersten, die sich 2007 zu medizinischen Tastuntersucherin (MTU) ausbilden ließ. Die neunmonatige Weiterbildung mit vielen medizinischen Inhalten schloss mit einer Prüfung vor der Ärztekammer ab. Nun kann sie ihr Handicap sinnvoll einsetzen und anderen Frauen helfen.

Ihre Arbeit als MTU ist eine wichtige Ergänzung zur Arbeit der Frauenärzte. Denn die Ärzte haben nicht die Fähigkeiten, die Brust in dieser Form abzutasten und die Mammografie steht erst Frauen ab 50 Jahren alle zwei Jahre zur Verfügung. Für jüngere Frauen gibt es den Brust-Ultraschall und eben die MTU. Beides sind Eigenleistungen (IGEL), die Kosten für die MTU (ca. 46,50 Euro) wird von immer mehr Krankenkassen übernommen.

Mirell Gräßer nimmt sich Zeit für die Untersuchung. Zu Beginn erklärt sie ihrer Patientin genau, was geschehen wird. Und entschuldigt sich sogar: „Ich habe leider immer sehr kalte Hände – ich hoffe, dass stört nicht zu sehr.“ Bevor es losgeht, legt Gräßer auf der Brust der Patientin ein kleines Koordinatensystem an. Dazu nutzt sie selbstklebende Streifen, die mit Braille-Schrift, also der Blindenschrift versehen sind. Zwei verlaufen senkrecht unter den Achseln und über den Brustwarzen, ein fünfter über dem Brustbein. „Falls ich etwas ertaste, kann ich so genau festlegen, wo die Ärztin später den Ultraschall ansetzen sollte“, erklärt sie.

Die Untersuchung selbst verläuft nach einem standardisierten Verfahren. Quadratzentimeter für Quadratzentimeter tastet sich Mirell Gräßer über die Brust. Mal mit wenig Druck, mal mit etwas mehr, um auch die tieferen Gewebeschichten erspüren zu können. Unangenehm ist das nicht – eher wie eine sanfte Massage. Die ruhige Art Gräßers lässt die Patientin schnell vergessen, dass es sich eigentlich um eine Vorsorgeuntersuchung handelt. Je nach Größe der Brust dauert das Procedere 30 bis 60 Minuten. Sollte Mirell Gräßer etwas ertasten, darf sie das der Patientin natürlich sagen, jedoch weder Vermutungen noch eine Diagnose äußern. Dafür ist im Anschluss die Frauenärztin zuständig.

Die kleinste Veränderung, die sie bei einer Patientin erspürt hat, war drei Millimeter groß. „Realistisch betrachtet kann man sagen, dass sich Veränderungen ab einer Größe von fünf bis sechs Millimetern gut ertasten lassen“, erklärt Gräßer. Heute sieht sie es als Vorteil an, dass sie von Geburt an blind ist. „Ich denke nicht, dass man Tastsinn so stark ausgeprägt geprägt wäre, wenn ich erst im späteren Alter mein Augenlicht verloren hätte.“

Gräßer ist heute in mehreren Praxen im Bergischen Land tätig. Dr. Katharina van der Grinten aus Radevormwald ist froh, Mirell Gräßer für ihre Praxis gewonnen zu haben. „Ich finde, dass die Taktilografie eine sehr sanfte und sichere Methode ist, die von Frauen als sehr angenehm empfunden wird“, erklärt van der Grinten. „Im Gegensatz zur Mammografie, die viele Frauen als schmerzhaft empfinden, da die Brust dabei etwas eingequetscht wird.“ Zudem werde bei dieser Methode gar nicht das ganze Gewebe erfasst. „Das ist bei der Untersuchung durch Mirell Gräßer ganz anders – sie tastet auch die Lymphknoten unter den Achseln ab.“

Die MTU ist auch sehr empfehlenswert in der Brustkrebsnachsorge, aber grundsätzlich eine Vorsorgeuntersuchung für alle Altersklassen. Aufgrund der sanften Art werden auch Patientinnen zwischen 20 und 30 an die Vorsorge herangeführt“, erzählt die Frauenärztin. „Junge Frauen können darüber hinaus bei Mirell Gräßer auch lernen, wie sie selbst ihre Brust abtasten und sicherer bei der Selbstvorsorge werden.“

Die WZ ist weder für den Inhalt der Anzeigen noch für ggf. angebotene Produkte verantwortlich.