Träume und Albträume - Alles ist möglich, auch die Angst

Während wir schlafen, räumen wir geistig auf und feilen an neu erlernten Bewegungsabläufen. Manchmal bahnen sich aber auch unsere Ängste Bahn.

Düsseldorf. Wir tun es jede Nacht. Mal mehr, mal weniger. Manchmal sind unsere Träume bizarr und weit entfernt von jeglicher Realität. An anderen Tagen entsprechen sie wiederum dem, was wir im Alltag erlebt haben. Doch nicht immer können wir uns daran erinnern, was nachts in unserem Kopf vorgegangen ist. "Das ist auch gut so", sagt Michael Schredl, Traumforscher und Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. "Wenn wir uns an jeden Traum erinnern könnten, gäbe es ein großes Durcheinander im Kopf." Überhaupt ist im Traum alles möglich, denn Neurotransmitter - also Moleküle -, die unter anderem Nervenimpulse übertragen, befinden sich in einem anderen Gleichgewicht als am Tag. Damit unterliegen die nächtlichen Fantasien keiner Logik. Im REM-Schlaf entwickelt unser Gehirn die höchste Aktivität Besonders aktiv ist unser Gehirn im REM-Schlaf (engl. "Rapid Eye Movement" - schnelle Augenbewegungen) - einem 90-Minuten-Rhythmus, der etwa fünf Mal pro Nacht auftritt. "Das Gehirn ist in dieser Phase in voller Aktion, seine Aktivität entspricht dem Wachzustand", sagt Schredl. In den 50er Jahren zeigten die ersten Schlaflaborstudien, dass etwa 80Prozent der geweckten Personen einen Traum mit bildhaften Eindrücken und Erlebnissen berichten konnten. Dies führte zu der Annahme, dass wir nur in dieser Phase träumen. Heute geht man davon aus, dass psychische Aktivität ebenso in den sogenannten Non-REM-Phasen stattfindet, auch wenn diese manchmal weniger bildhaft sind. Die verschiedenen Traumarten (siehe Kasten) lassen zusätzlich darauf schließen. Gehirn und Bewusstsein schlafen also nie, auch wenn die Phase zwischen Einschlafen und Aufwachen manchmal als dunkel empfunden wird. Brigitte Holzinger, Leiterin des Wiener Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung, beschreibt das, was im REM-Schlaf passiert, als "mentale Vorgänge, die wir Träume nennen: bunte, oft bizarre und unerklärliche Bildfolgen. In diesem Schlafabschnitt findet eine Art mentale Verdauung statt." Die wichtigste Funktion von Träumen ist das Aufräumen In über 90 Prozent der Träume ist das Freudsche Traum-Ich am Geschehen beteiligt. Träume, die wie ein Kinofilm vor den Augen ablaufen, sind sehr selten. "Trotz aller bizarren und ungewöhnlichen Elemente, erleben, fühlen und denken wir wie im Wachzustand. Meist träumen wir das, was wir im Alltag erlebt haben", sagt Schredl. Dagegen konnten Studien belegen, dass kognitive Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Rechnen deutlich seltener vorkommen. Häufig bedient sich unser Gehirn auch aus Erlebnissen vergangener Zeiten. Im Traum werden dann Alltagssituationen aufgearbeitet und mit Erfahrungen aus der Vergangenheit vermischt. Solche meist unlogischen Abfolgen sind laut Traumforscher Schredl durchaus normal. "Das Gehirn hat Zugriff auf das komplette Gedächtnis und verknüpft deshalb auch Ereignisse aus verschiedenen Zeitperioden." Aufräumen - das ist nach Ansicht der Forscher die wichtigste Funktion von Träumen. Wir lösen Probleme, holen Informationen ein und wägen sie ab, beziehen Gefühle mit ein und treffen Entscheidungen. Außerdem werden im REM-Schlaf Bewegungen gefestigt, die neu erlernt wurden. Stand man beispielsweise tagsüber auf der Skipiste, feilt das Gehirn nachts am richtigen Schwung. Das Lernen von komplexen Inhalten im Schlaf konnte aber nicht nachgewiesen werden. Die äußerst simplen Lernvorgänge, die möglich sind, werden einem Schüler oder Studenten kaum etwas bringen. Auch die bekannte Methode, das Buch unters Kopfkissen zu legen, führt nicht zum Lerneffekt. Schredl rät deshalb: "Tagsüber oder abends lernen und danach schlafen. Dann verfestigt der Schlaf das Gelernte im Gedächtnis." Übrigens träumen Männer anders als Frauen. Sex, Kampf und andere handgreifliche Situationen spielen bei ihnen die Hauptrolle. Frauen träumen von Kleidung, Beziehungsproblemen und Alltagspflichten. Zudem erinnern sich Frauen öfter an ihre Träume - vermutlich, weil sie sich eher mit ihren Gefühlen beschäftigen als Männer. Manch mal bahnt sich Angst Bahn Und manchmal bahnt sich die Angst ihre Bahn: Wer einen Albtraum durchlebt, fühlt sich bedroht, hat verzweifelte oder aggressive Gefühle. Plötzlich wacht die träumende Person auf, ist schweißgebadet, hat Herzklopfen und atmet schwer. Medizinisch werden Albträume definiert als "Traumerleben voller Angst und Frucht, das überwiegend in der zweiten Nachthälfte während einer langen REM-Phase auftritt". Typische Themen sind der Verfolgungstraum oder der Falltraum. Bei beiden endet der Traum, bevor das Schlimmste eintritt. "Es scheint plausibel, dass die stetig ansteigenden Gefühle die Person wieder in den Wachzustand bringen", sagt Traumforscher Michael Schredl. Doch nicht immer müssen negative Gefühle zum Erwachen führen. Die möglichen Ursachen von Albträumen beschäftigen die Wisenschaft schon seit langem. Im Mittelalter herrschte die Vorstellung, das ein behaartes und hässliches Wesen auf der Brust sitzt, die Atmung behindert und so den Albtraum auslöst. Deshalb wurde früher auch der Ausdruck "Alpdruck" häufiger gebraucht. So kann laut Brigitte Holzinger, Leiterin des Wiener Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung, ein innerer Konflikt einen Albtraum verursachen. Auch ein traumatisches Erlebnis wie ein Unfall oder sexueller Missbrauch können Auslöser für Albträume sein. In Frage kommen ebenso Stress, Drogen, Medikamente wie Blutdruckmittel und Antidepressiva, Phobien oder genetische Faktoren. Vor allem Kinder und Jugendliche leiden häufig unter Albträumen - häufig doppelt so oft wie Erwachsene. "Sie haben für viele Stresssituationen noch keine Strategien entwickelt und üben im Schlaf Rollenmuster, die fürs Erwachsenwerden wichtig sind", berichtet Schredl. Wenn die nächtlichen Ausflüge in eine andere Welt auch tagsüber den Kopf zerbrechen und stark belasten, sollte man über eine Therapie nachdenken. Als Faustregel gilt: Treten Albträume einmal pro Woche oder öfter auf, sollte man sich einer Behandlung unterziehen. Die verschiedenen Formen des Träumens REM-Träume Diese Träume bleiben nach dem Aufwachen aus dem REM-Schlaf erhalten. In diesem Schlafstadium kommt es zu schnellen Augenbewegungen. Außer der Muskulatur von Augen und Atmung sind andere Bewegungen des Körpers weitgehend unterdrückt. Der REM-Schlaf dauert zu Beginn etwa fünf Minuten und wird im Laufe der Nacht immer länger. Non-REM-Träume Der typische Non-REM-Schlaf ist kürzer, weniger bizarr, gleicht Gedanken und enthält weniger Bilder als der REM-Schlaf. Einschlafträume Sie werden meist nur dann erinnert, wenn man durch äußere Umstände geweckt wird. Einschlafträume sind realistischer, weniger gefühlsbeladen. Die Themen entstehen häufig aus einer teilweise ins Bizarre gehenden Fortsetzung der Gedanken vor dem Einschlafen. Allerdings gibt es große individuelle Unterschiede. Albträume Die Schlafforschung bezeichnet als Albträume die REM-Träume, die ein so starkes negatives Gefühl beinhalten, dass die Person erwacht. Angstträume Diese Form beinhaltet ebenfalls starke negative Gefühle, führt aber nicht zum Erwachen. Die Abgrenzung ist nicht einfach, da es oft schwer zu sagen ist, ob man tatsächlich wegen eines schlechten Traums aufgewacht ist. Luzide träume Hier ist sich der Träumer bewusst, dass er träumt. Mithilfe luzider Träume kann die Forschung Einfluss auf das Traumgeschehen nehmen. Buchtipps "Träume", Michael Schredl, Ullstein-Verlag, 19,90Euro. "Anleitung zum Träumen", Brigitte Holzinger, Verlag Klett-Cotta, 12,90 Euro.

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