Sülze, Saumagen, Ahle Wurscht - Die Deutschen und ihre Würste

Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Die Deutschen sind ein Volk von Wurstessern. Ob Flönz, Rot- oder Blutwurst: Was die Namen und die Palette der Zutaten von Würsten angeht, ist die Vielfalt hierzulande groß.

Am besten schmecken sie aus kleiner handwerklicher Herstellung.

Die Deutschen lassen sich die Wurst nur ungern vom Brot nehmen: In vielen Haushalten ist das Wurstbrot fixer Bestandteil einer kalten Mahlzeit. Gut 30 Kilogramm Wurst verdrückt der Bundesbürger im Schnitt pro Jahr.

Doch nicht nur kalt sind Würste für viele Deutsche ein Genuss. Viele werden erst gebrüht, gekocht, gebraten oder gegrillt und dann als Currywurst, Nürnberger oder Thüringer Rostbratwurst, als Frankfurter, Wiener oder Rindswurst an Imbissbuden serviert. Oder sie erfreuen als edle Hummerwurst oder Pfälzer Saumagen auch Gäste der Sternegastronomie.

Dabei ist der Zuspruch zur Wurst durchaus unterschiedlich. Bei Männern steht sie nach einer Studie des Bundesverbraucherministeriums deutlich höher im Kurs als bei Frauen. Und auch regional legen sich Sachsen und Thüringer stärker ins Zeug als andere. Die Qualität werde streng kontrolliert, betont Gero Jentzsch, Pressesprecher vom Deutschen Fleischer-Verband in Frankfurt. Er verweist auf die 1974 erlassenen und ständig aktualisierten „Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse“ des Verbraucherministeriums, die Kunden vor Täuschung schützen sollen. Darin wird auf 68 Seiten detailliert definiert, was in die mehr als 1500 deutschen Wurstsorten hineingehört - und was nicht.

Neben gewürztem und durch den Wolf gedrehten Schweine-, Kalb- und Rindfleisch sind auch Lamm, Geflügel und Wild beliebte Füllung der Därme, Blasen und Mägen, die tagtäglich über den Fleischerei-Tresen wandern. Und nicht nur Fleisch und Speck sind Bestandteil einiger Traditionswürste. Die Hessische Kartoffelwurst enthält zum Beispiel bis zu einem Drittel Kartoffeln, in der Niederhessischen Möhrenwurst, die oft noch bei Hausschlachtungen hergestellt wird, ergänzt Karottenbrei das Fleisch. Bei einigen Klassikern wie den in einen dünnen Schweinedarm gefüllten Thüringer Rostbratwürsten, die schon der Reformator Martin Luther schätzte, kann Jentzsch sogar auf eine Handwerksordnung aus dem Jahr 1613 verweisen, die streng Menge und Fleischqualität festlegte und Verbrauchertäuscher hart bestrafte.

„Die Bratwürste in Thüringen und Nürnberg werden alle in Naturdarm gefüllt“, sagt Heike Molkenthin vom Zentralverband Naturdarm in Hamburg, „auch die Münchner Weißwurst“. 2010 wurden 58 000 Tonnen Därme importiert, da die Nachfrage sonst nicht befriedigt werden kann. „Gut 60 Prozent aller Würste stecken im Naturdarm“, sagt sie.

Doch nur der kleinere Teil der Wursterzeugnisse wird heute noch handwerklich hergestellt. Das kann Dieter Rohde nicht verstehen. Die Familie des Kasseler Metzgers macht seit Generationen Wurst. Dass die Ahle Wurscht heute besser dasteht denn je, ist zu großen Teilen dem 60-jährigen zu verdanken, der in seiner Wurstmanufaktur peinlich genau darauf achtet, dass die Wurst neben Fleisch von schlachtfrischen schweren Schweinen aus den umliegenden Dörfern nur Salz, Pfeffer, Zucker, Salpeter und in Weinbrand eingelegten Knoblauch enthält und dann über Monate reift.

Heute ist die Ahle Wurscht Passagierin auf der „Arche des Geschmacks“, die die internationale Genießervereinigung Slow Food zum Schutz der in Vergessenheit geratenden Lebensmittel auf den Weg gebracht hat. Zusatzstoffe, wie sie viele der industriell gefertigten Produkte enthalten, sind für Rohde tabu. „Oft enthalten diese Würste nur die fetten Teile von industriell gemästeten Schweinen und Pökelsalz, um sie schneller reifen zu lassen. Mit zugefügten Stabilisatoren und Geschmacksverstärkern hat das wenig mit unseren traditionell gefertigten Würsten gemein.“

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