Stress im Beruf fordert seinen Tribut

Fehltage im Job wegen psychischer Leiden seit 2000 fast verdoppelt.

Berlin. Seelische Leiden sind zur neuen Volkskrankheit geworden — auf ihr Konto geht annähernd eine Verdoppelung der Arbeitsunfähigkeitstage seit dem Jahr 2000. Das sagte der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Rainer Richter, gestern in Berlin. Aktuell seien 12,5 Prozent aller betrieblichen Fehltage auf seelische Erkrankungen zurückzuführen. „Der Trend ist ungebrochen.“

Richter sieht die Ursache dafür vor allem in wachsendem Druck am Arbeitsplatz. Er verwahrte sich gegen den Vorwurf der Krankenkassen, dass immer mehr Arbeitnehmer wegen seelischer Leiden krankgeschrieben würden, weil auch die Zahl der Psychotherapeuten — derzeit knapp 22 000 mit Kassenzulassung — steige. Dieser Zusammenhang bestehe nicht, weil Psychotherapeuten ihre Patienten gar nicht krankschreiben dürften. Dies könnten nur die Ärzte selbst.

Die Zahl der Krankschreibungen aufgrund von „Burnout“-Symptomen wie Erschöpfung und Antriebslosigkeit ist nach Richters Worten dennoch regelrecht explodiert: Seit 2004 um fast 1400 Prozent — jedoch von einem sehr niedrigen Niveau aus. Habe es 2004 bei 100 Versicherten wegen Burnouts 0,6 Fehltage im Jahr gegeben, seien es 2011 rund neun Tage gewesen.

„Im Vergleich zu psychischen Erkrankungen sind neun Tage nicht viel“, betonte Richter. Depressionen führten dagegen zuletzt zu 73 Ausfalltagen. Burnout habe nur einen Anteil von 4,5 Prozent an den Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen, sagte Richter. Er bezog sich dabei auf eine neue Studie seiner Organisation.

Der BPtK-Präsident sieht durch den wachsenden Erfolgsdruck in Beruf und Privatleben eine „Spirale von Überforderung“ in Gang gesetzt, die bis zur Depression führen könne. Psychische Erkrankungen führten zu besonders langen Fehlzeiten von durchschnittlich 30 Tagen im Jahr, bei Depressionen seien es 39 Tage. Die volkswirtschaftlichen Kosten beliefen sich auf 26 Milliarden Euro.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat für Unternehmen deshalb eine Liste mit Beratungsangeboten zur Hilfe für betroffene Mitarbeiter erstellt. Bei niedergelassenen Psychotherapeuten gebe es dagegen meist monatelange Wartezeiten. dpa

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