Öffentliche Lebensretter: Wenig Wissen über Defibrillatoren

Berlin (dpa) - Ein Herzinfarkt in der Einkaufspassage - was tun? Zwar hängt möglicherweise ein Defibrillator an der Wand, doch kaum ein Passant wagt, den Schockgeber zu nutzen. Dabei sei die Anwendung einfach, sagen Experten.

Im Kampf gegen den plötzlichen Herztod können Stromimpulse aus Defibrillatoren Leben retten: Etwa 50 solcher öffentlich zugänglichen „Defis“ gegen gefährliches Kammerflimmern sind in Berlin in einem Netz registriert, wesentlich mehr wahrscheinlich tatsächlich vorhanden. Aber kaum jemand weiß davon oder traut sich, sie im Notfall einzusetzen. „Die Situation ist in Berlin nicht zufriedenstellend“, sagt Sven Gerling, Sprecher der Berliner Feuerwehr. Bislang gebe es zu wenig Geräte, vor allem aber zu wenig Wissen über Erste Hilfe allgemein. „Viele fühlen sich nicht in der Lage, mit einem solchen Gerät umzugehen“.

In Berlin sind öffentlich zugängliche Laien-Defis (AED) unter anderem in Schwimmbädern, Unternehmen, Arbeitsämtern, Einkaufspassagen oder Sparkassen zu finden. Auch im Abgeordnetenhaus steht ein AED bereit. Zum Einsatz kommen die Geräte jedoch bislang selten. Auch bundesweit liegt kaum belastbares Zahlenmaterial vor - eben weil die Zuständigkeiten oft privat sind. Vom Frankfurter Flughafen sind 14 erfolgreiche Reanimationen durch Laien-Defis bekannt. In der Münchner U-Bahn, wo die Geräte seit Jahren in jeder Station zu finden sind, wurden 18 Leben durch sie gerettet.

Als Ergänzung zur traditionellen Herz-Lungen-Druckmassage sei ein Defibrillator sinnvoll und wichtig, betont der gelernte Rettungsassistent Gerling. Rüdiger Kunz vom Berliner DRK geht sogar noch einen Schritt weiter: „Man kann mit den Geräten nichts falsch machen, denn sie erklären dem Nutzer jeden erforderlichen Schritt. Man sollte sie deshalb - nachdem der Notruf 112 abgesetzt ist - sofort anwenden.“ Im Idealfall ergänzen sich Stromstoß und klassische Druckmassage, um die Blutversorgung nach dem „wachrüttelnden“ Elektroimpuls zu stabilisieren. Auch das DRK fordert, mehr Laien-Defis in der Stadt zu installieren und vor allem die Bevölkerung noch besser aufzuklären.

Bundesweit arbeitet der gemeinnützige Verein Definetz derzeit daran, ein Kataster der verfügbaren Geräte, inklusive Ortungs-App fürs Smartphone, zu erstellen. Auch für Berlin sind dort Standorte zu finden. „Im optimalen Fall kümmert sich die Kommune um eine Raumplanung, damit die Geräte gleichmäßig überall im Stadtgebiet verteilt werden“, sagt Definetz-Geschäftsführer Friedrich Noelle.

Für die Berliner U-Bahn sind, anders als in München, öffentlich zugängliche Defibrillatoren kein Thema. „Wir haben Geräte in unseren Leitstellen, aber darüber hinaus, an den Bahnsteigen, halten wir sie nicht für sinnvoll“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Als Grund nennt sie die Überforderung der Passanten und eine entsprechende Empfehlung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Auf Nachfrage dort war von einer entsprechenden Empfehlung jedoch nichts bekannt. „Wir haben im Gegenteil im Jahr 2003 in einem Papier zwei Wege aufgezeigt, wie Verkehrsbetriebe vor Ort solche öffentlichen Defibrillatoren betreiben können“, sagt ein Verbandssprecher.

Die großen Hilfsorganisationen bieten auch in Berlin - ergänzend zum normalen Erste-Hilfe-Kurs - Infos zum Umgang mit „Defis“ an. „Viele haben ihr vermeintliches Wissen aus US-Serien, wo der Körper des Bewusstlosen hochschnellt und die Haut verbrennt. Das ist völliger Quatsch“, betont Kunz vom DRK. Auch die Furcht, für sein Verhalten zur Rechenschaft gezogen zu werden, sei unbegründet. „Niemand wird für einen versuchten Hilfseinsatz haftbar gemacht. Das einzige, was man bei Erster Hilfe falsch machen kann, ist, gar nichts zu tun, aus Angst etwas falsch zu machen.“

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