Manche Menschen trauern jahrzehntelang

Eichstätt (dpa/tmn) - Nicht immer heilt die Zeit alle Wunden: Einige Menschen trauern Jahrzehnte um enge Freunde oder Verwandte. Eine sehr enge Bindung begünstigten zum Beispiel die Entstehung einer psychischen Störung, erklärt die Psychologin Prof. Rita Rosner.

Nach neuesten Schätzungen kämpfen vier Prozent aller Trauernden viele Jahre und manchmal mehrere Jahrzehnte mit dem Verlust eines engen Freundes oder Verwandten. Das sagte die Psychologin Prof. Rita Rosner von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Was genau zu der sogenannten komplizierten oder prolongierten Trauer führt, ist unklar. „Das kann jedem passieren“, sagte die Psychologin. Aber es gibt einige Hinweise darauf.

Eine besonders enge Bindung zum Verstorbenen oder ein traumatischer, plötzlicher Tod begünstigten zum Beispiel die Entstehung einer psychischen Störung. „Auch wer als Kind schon eine Störung mit Trennungsangst oder eine andere psychische Erkrankung hatte, könne ein erhöhtes Risiko haben“, sagte sie. Dauer und Intensität seien die deutlichsten Anzeichen für die Störung, die komplizierte Trauer von der normalen unterscheidet, erklärte Rosner. Dauert die Trauer länger als sechs Monate und finden sich die Trauernden nicht in die neue Situation ein, könnten das Warnsignale sein. Mehrere Jahre könne eine solche Trauerphase dauern.

Die Intensität der Trauer zu beurteilen, sei schwierig. „Eine unglaubliche Sehnsucht“ nennt Rosner das, was kompliziert Trauernde empfinden. „Auch normale Trauer kann einen schmerzhaften Verlauf nehmen und sich auch ziehen, aber irgendwann kommt es zu einer Milderung des Trennungsschmerzes.“ Viele Betroffene vernachlässigen außerdem soziale Kontakte - Vereinsamung droht.

Medikamente zur Behandlung der Störung existieren nicht. Zwar könnten bei Patienten, die gleichzeitig an einer Depression erkrankt sind, Antidepressiva Linderung verschaffen. Eine Pille gegen die komplizierte Trauer gebe es allerdings nicht. Einzig eine spezielle Verhaltenstherapie könne helfen. Die Patienten müssten lernen, den Verlust zu akzeptieren.

Dass vielen das nicht gelingt, zeige sich zum Beispiel daran, dass Betroffene für den Verstorbenen weiter am Tisch mitdecken, seine Kleider aufbewahren oder seine Gewohnheiten aufrechterhalten. Viele würden auch das Grab nie besuchen, weil sie nicht an die Umstände, die mit dem Tod des geliebten Menschen zu tun haben, erinnert werden wollen.

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