Krankheit: Das schwere Leben mit dem Rett-Syndrom

Der genetische Defekt trifft ausschließlich Mädchen im Kleinkind-Alter.

Düsseldorf. Die Mädchen kommen völlig gesund zur Welt, entwickeln sich zunächst ganz normal, bis dann der große Bruch kommt: Die ersten erlernten Worte sind vergessen, ans Laufen ist nicht mehr zu denken. Dann kommen irgendwann einmal knetende, ringende Handbewegungen dazu. Oft ist es ein langer Leidensweg, bis der Arzt die Diagnose stellt: "Ihr Kind hat das Rett-Syndrom."

Bei dieser bislang kaum bekannten Krankheit handelt es sich nach dem Down-Syndrom um die bei Mädchen am zweithäufigsten auftretende Form der geistigen Behinderung. Sie wurde erst 1966 vom Wiener Arzt Andreas Rett entdeckt und geht auf einen nicht erblichen genetischen Defekt zurück, wie man erst seit einigen Jahren weiß. Bundesweit sind 2000 Fälle bekannt, die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Zum Beispiel Julia Vogelauer. Sie ist mittlerweile 28 Jahre alt und schwer behindert, wie ihr Vater Volker Vogelauer berichtet. "Wir haben erst nach acht Jahren gewusst, worunter unsere Tochter leidet. Die Zeit bis dahin war sehr hart."

Hörschaden - wegen der plötzlichen Sprachlosigkeit -, motorische Einschränkung - wegen des schwankenden Gangs -, und dann Autismus als Erklärung für die Unfähigkeit, sich wie andere Kinder mitzuteilen, lauteten die ebenso widersprüchlichen, wie falschen Aussagen.

Das stürzte die Familie in ein Wechselbad der Gefühle. "Das ist schwer zu ertragen. Deshalb ist Aufklärung umso wichtiger - bei den Eltern, aber auch bei den Ärzten", sagte Vogelauer. Er engagiert sich in der Elternhilfe für Kinder mit Rett-Syndrom.

"Was wir als Eltern vor allem wollen: Verständnis für unsere betroffenen Kinder," appellierte Claudia Petzold, Mutter einer Dreijährigen mit Rett-Syndrom, an das Verständnis des Umfelds.

Aus diesen Schicksalen erwächst für Rudolf Henke, Chef der Ärztevereinigung Marburger Bund und CDU-Landtagsabgeordneter in NRW, eine politische Aufgabe. "Wir müssen Betreuungsmöglichkeiten für erwachsene Behinderte schaffen. Denn aus den Mädchen werden Frauen", so Henke. Derzeit gibt es bundesweit 135 medizinische Einrichtungen, die auf schwer behinderte Kinder und Jugendliche ausgerichtet sind. Für Erwachsene gibt es so etwas bislang nicht.

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