Hauptsache das Auto ist gesund - viele Männer kranken am Selbstbild

Berlin (dpa) - Vorsorgemuffel? Opfer rigider Arbeitsverhältnisse? Oder vielleicht beides? Laut Statistik sind Männer das kranke Geschlecht. In Berlin suchte ein großer Kongress nach praktischen Ansätzen für eine bessere Männergesundheit.

Viele Männer wissen mehr über ihr Auto als über ihren Körper. „Man kennt das Vergaserproblem, aber die eigene Blutgruppe? Fehlanzeige“, sagt Prof. Ingo Froböse. Dem Forscher von der Deutschen Sporthochschule Köln liegt es am Herzen, mehr Männer auf Trab zu bringen - ihrer Gesundheit zu Liebe. Denn die Zahlen sprechen gegen das vermeintlich starke Geschlecht: Männer sterben früher, haben mehr Unfälle, nehmen sich häufiger das Leben, rauchen und trinken mehr als Frauen. Auf dem 1. Männergesundheitskongress des Bundesgesundheitsministeriums und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Berlin suchten Forscher nach Ansätzen, um diese langjährige Entwicklung zu durchbrechen.

Dabei schlagen auch tradierte Selbstbilder vielen Männern in punkto Gesundheit ein Schnippchen, betonten die Forscher. „Männer erwarten von ihrem Körper, dass er wie eine Maschine funktioniert. Erst bei Störungen wird eine "Werkstatt" aufgesucht“, sagte BZgA-Direktorin Elisabeth Pott am Dienstag (29. Januar). Warnzeichen und Risiken hingegen würden lange bagatellisiert und ignoriert. Dies jedoch allein den Männern vorzuwerfen, sei falsch, hielt der Medizinhistoriker Prof. Martin Dinges (Robert-Bosch-Stiftung) entgegen: „Männer sind keine Gesundheitsidioten!“ Neben dem traditionellen Männer-Leitbild sei es vor allem das Modell des männlichen Haupternährers, das seit der Industrialisierung zu einer starken, einseitigen Berufsbelastung der Männer führe - und in der Folge zu ihrer geringeren Lebenserwartung.

In der Tat: Verkehrsunfälle etwa, die Männer deutlich häufiger als Frauen haben, kommen verstärkt auch durch Berufsfahrten zustande. „Männer haben zudem die gefährlicheren, verletzungsträchtigeren Berufe. Wir sollten dahin kommen, dass auch Männer mehr Teilzeit arbeiten können und Platz für andere Dinge in ihrem Leben haben, als nur die Arbeit“, sagte Dinges.

(Vollzeit-)Arbeit dominiert aber bislang das Leben der meisten Männer - deshalb müsse der Gesundheitsfaktor noch mehr Einzug in die Arbeit halten. „Es geht darum, mehr Bewegung in die Unternehmen zu bringen, etwa durch betriebliche Gesundheitsvorsorge“, betonte Froböse. „Es wird so viel Sport geguckt wie noch nie, aber drei Viertel der Männer sind körperlich völlig inaktiv. Während Frauen sich informieren, und dies tendenziell dann auch umsetzen, nehmen Männer allgemeine Gesundheitsinfos zwar auf, tun aber nichts.“

Passgenaue Gesundheitsangebote, das heißt für Froböse auch, richtige Verpackung: „Yoga oder Tai Chi-Kurs - das gruselt die meisten Männer. Wenn ich das aber Kraft- oder Beweglichkeitstraining nenne, machen schon mehr mit.“ Der kompetitive Leistungsaspekt sei es, der die meisten Männer vom Sofa locke.

Prof. Theodor Klotz, Urologe am Klinikum Weiden, betonte, dass aber nicht nur bewusste Ernährung, Bewegung und der Vorsorge-Gang zum Arzt bei Männern zu mehr Gesundheit und Lebensqualität führen. „Es ist vor allem im fortgeschrittenen Alter auch die stabile Partnerschaft.“ Männer reagierten viel deutlicher als Frauen auf regionale und soziale Faktoren - so sei die Sterblichkeitsrate in infrastrukturell schwachen Gebieten ebenso wie bei einem Mangel an Sozialkontakten bei Männern messbar höher als bei Frauen.

Generell erinnerten die Experten daran, dass es „den Mann“ nicht gebe - sondern sehr zielgruppenspezifische Angebote gemacht werden müssten. Denn während viele Mittelschichtler bereits einiges für ihre Gesundheit täten, würden vor allem bildungsferne Männer, Ältere und auch ein Teil der Migranten von den bisherigen Präventionsangeboten kaum erreicht. Teils, weil diese Angebote falsch etikettiert seien, teils aber auch, weil es immer noch zu viele Zugangsschwellen und krankmachende Lebensverhältnisse gebe. „Dies müsste die Gesundheitspolitik noch stärker in den Blick nehmen, statt alle Verantwortung „den Männern“ zuzuschreiben nach dem Motto: Helft Euch selbst!“, kritisierte Dinges.

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