EU geht gegen gefälschte Pillen vor

Straßburg/Brüssel (dpa) - Was drauf steht, soll künftig auch drin sein: Arzneien in der EU werden fälschungssicherer. Erstmals schreibt die EU einen Sicherheitscode für Pillenschachteln vor. Zertifizierte Online-Apotheken sollen ein Logo bekommen.

Das Europaparlament hat ein entsprechendes Gesetz zum Patientenschutz beschlossen, das 2013 in Kraft treten soll und noch Übergangsfristen vorsieht. Das müssen Patienten künftig wissen:

Wie groß ist der Markt für gefälschte Medikamente?

Seit Jahren tauchen immer mehr „unechte“ Arzneien in der EU auf. Laut EU-Kommission entdeckt der Zoll an den EU-Grenzen jedes Jahr 2,5 Millionen Packungen falscher Medikamente - diese Zahl hat sich verdreifacht. Früher waren es vor allem „Lifestyle“-Medikamente wie die Potenzpille Viagra oder Appetitzügler. Inzwischen sind aber auch falsche Krebsmittel, Cholesterinsenker oder Grippemittel darunter. Man nennt sie „stille Killer“, weil sie entweder wirkungslos sind oder wegen giftiger Substanzen sogar lebensgefährlich sein können.

Wo tauchen „unechte“ Medikamente auf?

Wichtigster Vertriebsweg auf dem europäischen Markt ist das Internet - dort sollten Verbraucher nur bei zertifizierten Online-Apotheken kaufen. Nur in ganz wenigen Fällen landen die Fälschungen auch in Apotheken. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation ist nur ein Prozent der Arzneimittel, die weltweit über die legale Lieferkette verkauft werden, gefälscht.

Was ändert sich in der EU?

Jede Pillenschachtel bekommt einen Strichcode. Beim Verkauf in der Apotheke wird der Barcode gescannt und geprüft, wo das Medikament herkommt und ob es sich um ein Originalpräparat handelt. Betrüger können die Verpackung somit nicht mehr unbemerkt öffnen. Auch ein Hologramm könnte die Packung fälschungssicher machen. Falls ein Patient ein Arzneimittel schon erhalten hat, soll es auch ein Frühwarnsystem geben, um Medikamente zurückrufen zu können.

Gelten die Regeln für jede Aspirin-Tablette?

Nein, nur für verschreibungspflichtige Medikamente. Gängige Tabletten wie Aspirin oder Paracetamol sind billig, weshalb sich für Fälscher der Aufwand nicht lohnt.

Und was passiert bei Online-Apotheken?

Besonders im Internet häufen sich unseriöse Angebote wie die schnelle Diätpille oder der Muskelaufbau-Drink. Verbraucher können zugelassene Online-Apotheken künftig an einem EU-Logo erkennen, eine Art Qualitätssiegel. Experten raten, niemals verschreibungspflichtige Medikamente zu kaufen, die im Internet ohne Rezept oder aus dubioser Quelle angeboten werden.

Wie stehen Pharmaunternehmen und Apotheken dazu?

Pharmakonzerne wie der Viagra-Hersteller Pfizer oder die britische GlaxoSmithKline verlieren viel Geld wegen gefälschter Medikamente und unterstützen deshalb den EU-Vorstoß. Allerdings müssen Pharmabranche und Apotheken in Europa nach EU-Schätzungen rund zehn Milliarden Euro investieren. Apotheken müssen spezielle Geräte anschaffen, die den Sicherheitscode lesen können.

Wann erhält das Vorhaben Gesetzeskraft?

Voraussichtlich 2013, allerdings gelten Übergangsfristen von fünf bis sechs Jahren. Nach dem Beschluss des Europaparlaments muss der Ministerrat, der die Regierungen der 27 Länder vertritt, formal zustimmen. Dann haben die Länder zwei Jahre Zeit, die Vorgaben umzusetzen.

Was plant die EU noch zum Schutz von Patienten?

Beipackzettel von verschreibungspflichtigen Medikamenten sollen künftig auch im Internet stehen. Die EU plant ein unabhängiges Internetportal, das nicht nur Nebenwirkungen auflistet, sondern auch Fakten über Krankheiten und Therapiemöglichkeiten liefert. Der Ministerrat verhandelt derzeit noch darüber. Die Werbung für solche Medikamente bleibt aber entgegen erster Pläne verboten.

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