Nordrhein-Westfalen Die Grippewelle ist noch nicht vorbei - NRW besonders stark betroffen

NRW fiebert und schnieft weiter: Krankenhäuser und Arztpraxen sind nach wie vor überfüllt, bei der Blutversorgung gibt es Engpässe.

Nordrhein-Westfalen: Die Grippewelle ist noch nicht vorbei - NRW besonders stark betroffen
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Düsseldorf. Alle Jahre ist sie da und immer wieder unterschätzt: die Grippewelle. In den vergangenen Wochen brachte sie viele Arztpraxen und Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen an ihre Kapazitätsgrenzen. Ärzte sprechen von einem besonders aktiven Grippejahr. Das Schlimmste scheint aber überstanden. Die Zahl der Grippe-Fälle geht leicht zurück, auch wenn viele Menschen immer noch schniefend und fiebernd flachliegen.

Nordrhein-Westfalen: Die Grippewelle ist noch nicht vorbei - NRW besonders stark betroffen
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„Die Zahl der Grippepatienten geht leicht zurück, die der erkrankten Pflegekräfte steigt jetzt aber noch mal“, sagt Ulla Dahmen, Sprecherin des Lukaskrankenhauses in Neuss. Den regulären Schichtbetrieb aufrechtzuerhalten sei vor dem Hintergrund nicht leicht. Die Abläufe in der Notaufnahme seien durch den hohen Krankenstand beim Personal erschwert, aber nicht gefährdet. Das flexible Arbeitszeitmodell im Pflegebereich, der Flexpool, habe sich in diesen angespannten Wochen bewährt: „Ohne wäre es wirklich schwierig geworden.“

Patienten, die mit der Diagnose Influenza aufgenommen werden, dürfen wegen der hohen Ansteckungsgefahr nur isoliert untergebracht werden. Auch das verschärft die Situation in den Kliniken. Wegen der großen Anzahl an Influenza-Patienten praktizieren viele Krankenhäuser daher die „Kohorten-Isolation“: zwei Grippe-Patienten auf ein Zimmer.

Mittlerweile ist auch der Grippeschnelltest, mit dem Influenza-Viren innerhalb einer halben Stunde nachgewiesen werden können, in vielen Krankenhäusern vergriffen.

In Köln nahm ein besonders hoher Anteil einen so schweren Verlauf, dass ungewöhnlich viele Patienten intensivmedizinisch behandelt werden mussten und Intensivbetten knapp wurden. So dramatisch stelle sich die Lage in den Wuppertaler Helios-Kliniken nicht dar. Von leichter Entspannung will Helios-Sprecher Jörn Grabert aber nicht reden.

Die Zahl der Grippe-Patienten und erkrankten Mitarbeiter in der Pflege und im Ärztlichen Dienst sei unverändert hoch. „Wir gehen aber davon aus, dass der Höhepunkt jetzt erreicht ist“, so Grabert.

Unangenehm bemerkbar macht die Grippewelle sich auch bei den Blutspendediensten, die seit Wochen über leere Spenderliegen und knappe Blutkonserven klagen. In einigen Regionen in NRW zeichne sich ein Rückgang der Spenden von bis zu 18 Prozent ab, geben die DRK-Blutspendedienste an. „Wir spüren die Auswirkungen der Grippewelle seit einigen Wochen sehr stark“, sagt Stephan David Küpper, Leiter des Blutspendedienstes West. „Die Grippekarte des RKI ist ja auch immer noch vielerorts dunkelrot eingefärbt.“ Denn grundsätzlich sind nicht nur Menschen von der Blutspende ausgeschlossen, die akut an Grippe oder auch an einer Erkältung erkrankt sind, auch gerade erst von einer Grippe genesene Personen, die möglicherweise noch Restbestände von Antibiotika im Blut haben, dürfen kein Blut spenden.

„In solchen Fällen haben wir keine andere Möglichkeit, als den Spender nach Hause zu schicken. Da hat der Empfängerschutz einfach Priorität“, sagt Küpper. Für eine Vorratszeit von drei bis vier Tagen benötigen die Blutspendedienste circa 3000 Blutkonserven — davon fehlten aktuell bis zu 600. Küpper: „In den Osterferien dürfte es traditionell noch knapper werden. Über neue Spender, die alle gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllen, freuen wir uns deshalb umso mehr.“

In vielen Behörden, Schulen, Kitas und Krankenhäusern arbeiten die verbliebenen Gesunden am Limit. Auch in vielen Firmen stapeln sich die Krankmeldungen. Mit der Zahl der Grippe-Kranken steigt die Ansteckungsgefahr, das bremst auch viele Busfahrer und Lokführer aus. Allein bei der Rheinbahn meldeten sich 200 der rund 1500 Fahrer in Düsseldorf krank.

Zwar soll der Winter am Wochenende noch einmal mit knackigen Minusgraden zurückkehren, auf die Ansteckungsgefahr habe dies aber keine nennenswerten Auswirkungen, sagt die Sprecherin des Robert-Koch-Instituts (RKI), Susanne Glasmacher. „Die Grippeviren lieben zwar Trockenheit und Kälte — ein paar Grad kälter oder wärmer haben aber keinen Einfluss auf die Epidemie, sofern es sich nicht um einen Temperaturunterschied wie zwischen Sommer und Winter handelt.“ Auch habe Deutschland den Gipfel der Grippewelle bereits hinter sich, wenngleich die Situation immer noch akut sei. „Der Abwärtstrend setzt sich bundesweit nur im Schneckentempo fort.“

In Nordrhein-Westfalen flaue die Grippe im Vergleich zur bundesweiten Entwicklung etwas schneller ab, doch habe NRW auch auf einem relativ hohen Level angefangen, was die Zahl der Infektionen betrifft.

Das bevölkerungsreichste Bundesland hat die Grippe besonders schwer im Griff, erläutert Glasmacher: „In Kalenderwoche 8 haben wir in NRW einen Praxisindex von 350 gemessen. Das bedeutet, dass in NRW 3,5 Mal so viele Menschen wegen einer Grippeinfektion zum Arzt gegangen sind, wie in einer Phase ohne Grippewelle.“ Die „zweifelhafte Goldmedaille“ gehe aber an Sachsen, wo zuletzt ein Praxisindex von 356 gemessen wurde. Nach Angaben des RKI wird die Grippewelle noch einige Wochen bis in den April hinein anhalten. Eine — wenngleich auch verspätete — Impfung lohne sich in jedem Fall noch, rät Glasmacher. Auch regelmäßiges Händewaschen sei eine wichtige Präventionsmaßnahme. Influenza-B-Viren der Yamagata-Linie (benannt nach der japanischen Stadt) beherrschen die gegenwärtige Grippe; gegen sie empfiehlt die Ständige Impfkommission eine Vierfach-Impfung, deren Kosten allerdings nicht von allen Krankenkassen übernommen werden. „Da sollten Patienten sich genau erkundigen“, sagt Glasmacher.

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