Das Land erobert Berlin: Grüne Woche öffnet zum 80. Mal

Berlin (dpa) - Wenn mitten in Berlin Schweine grunzen, läuft wieder die weltgrößte Agrarmesse. Wie kaum irgendwo sonst wird die Zukunft der Landwirtschaft diskutiert, deren Vertreter gedämpfter Stimmung sind.

Das Land erobert Berlin: Grüne Woche öffnet zum 80. Mal
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Viele Besucher haben näherliegende Interessen.

Wenn mitten in Berlin Schweine grunzen, läuft wieder die weltgrößte Agrarmesse (Publikumstage: 16. bis 25. Januar). Wie kaum irgendwo sonst wird die Zukunft der Landwirtschaft diskutiert, deren Vertreter gedämpfter Stimmung sind. Viele Besucher haben näherliegende Interessen.

Die „Rosa Brille“ ist wohl keine Auszeichnung, die sich Bauernpräsident Joachim Rukwied in die Vitrine stellt. Zugedacht haben sie ihm Kritiker. Für sie ist die weltgrößte Agrarmesse, die am 16. Januar beginnt, nicht mehr als Propaganda für eine angeblich ausbeuterische und umweltzerstörerische Landwirtschaft. Doch Rukwied sieht auch in der 80. Auflage der Messe ein „Dialog-Angebot an die Verbraucher“ über Landwirtschaft und den Wert von Lebensmitteln.

Mehr als 400 000 Besucher werden auch in diesem Jahr an den zehn Messetagen kommen, wie die Veranstalter erwarten. Denn über 1600 Messestände bieten Spezialitäten aus ganz Deutschland und knapp 70 weiteren Ländern. „Es geht um Qualität und Sicherheit von Nahrungsmitteln und um das Tierwohl“, sagt ein Messesprecher.

Viele Besucher lockt der Genuss. Aber der Streit, wie Lebensmittel für Milliarden umwelt- und tiergerecht erzeugt werden können, wird wie jedes Jahr ihren Höhepunkt zur Grünen Woche erreichen - auch weil die Kritiker konventioneller Methoden längst ihren Platz auf der Messe haben. Sie ist Schlemmermeile und Forum zugleich.

Und die Schau bringt einen Hauch von Landleben in die deutsche Hauptstadt - oder von dem, was manche dafür halten, mit Alphornbläsern und Volkstanzgruppen. Die Branche hält mit dem Erlebnisbauernhof in einer der 26 Messehallen dagegen, wo sie hochmoderne Landmaschinen und Ställe für Puten und Kühe präsentiert.

Für die Bauern ist die Messe im weniger arbeitsreichen Winter ein vielfältiger Treffpunkt. Das reicht von Sportpony-Schauen bis zum bundesweiten Sattelschweinzüchtertreffen. Und sie ist ein Testmarkt. Denn die Besucher geben auf der Messe regelmäßig mehr als hundert Euro aus. Was ihnen schmeckt, kommt hoffentlich auch im Handel gut an, so das Kalkül der Branche.

Zum Jahresauftakt dient die Messe auch als Stimmungsbarometer. Die Bauern haben drei Jahre gut verdient, nun sehen sie mit Sorge, dass die Weltmarktpreise für wichtige Güter sinken, etwa bei Getreide und Schweinefleisch. „Das wird sich nach Einschätzung von Marktexperten im ersten Halbjahr auch nicht ändern“, weiß Rukwied. „Und insofern haben die Landwirte nur gedämpfte Erwartungen an das Jahr 2015.“

Zu den Ursachen zählen gute Ernten in vielen Ländern, die schwächelnde Weltkonjunktur und die neuen Handelsschranken zu Russland. Für Verbraucher bedeutet das: Die Lebensmittelpreise im Supermarkt dürften vorerst nicht weiter steigen, vielleicht sogar etwas sinken, wie Experten erwarten.

Begleitet wird die Messe von mehreren Hundert Vorträgen und Tagungen. Auf einer Agrarministerkonferenz wollen Regierungsvertreter von allen Kontinenten der Frage nachgehen, wie die wachsende Weltbevölkerung ernährt werden kann und trotzdem nachhaltiges Wachstum der Landwirtschaft machbar ist. Abseits des Messegeländes dürften wieder Bauern aus dem Bundesgebiet für eine sozialere und ökologischere Landwirtschaft demonstrieren.

Die Landjugend versucht unterdessen, mit selbst gedrehten Videos vom eigenen Betrieb ein realistisches Bild von der Landwirtschaft zu verbreiten. „Clip my farm“ heißt der Wettbewerb, der in Berlin präsentiert wird. Das meistgesehene Video fordert mehr Respekt für Landwirte: „Kennst du überhaupt dieses Leben auf dem Hof? Kennst nur die Fernsehbauern - denkst du wirklich, alle sind so doof?“

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