Bibbern bei minus 110 Grad: Wirkung von Kältekammern

Köln (dpa/tmn) - Regenerieren bei arktischen Temperaturen? Therapeuten setzen bei Schmerzpatienten und Menschen mit Schlafstörungen oder Depressionen große Hoffnung auf die Wirkung von Kältekammern.

Maximal drei Minuten dauert der Aufenthalt bei minus 110 Grad.

Für viele Menschen ist es wohl kaum vorstellbar: freiwillig einige Minuten bei minus 110 Grad Celsius in Badekleidung herum zu laufen. Gemeint ist der Besuch einer Kältekammer. Als echten Kick mit Adrenalin- und Endorphinschub bezeichnen Kammergänger die Erfahrung bei diesen Temperaturen. „Die Methode kommt ursprünglich aus Japan, sie wurde dann für Rheumapatienten mit Schmerzen in den Gelenken entwickelt“, sagt der Mediziner Markus de Marées von der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Kammer für Kammer nähere man sich der tiefsten Temperatur. „In der kältesten Kammer selbst sollte man schnelle Bewegungen vermeiden. Die meisten gehen dabei langsam im Kreis herum.“ Immer bestehe Kontakt nach außen zu den Therapeuten, je nach Konzept blieben die Besucher ein bis drei Minuten in der Kälte. Die Haut kühlt sich demnach auf etwa 5 Grad Celsius ab, die Körpertemperatur bleibt aber in der Regel stabil durch Gegenregulation. Durch die Kälte sollen schmerz- und entzündungshemmende Mechanismen in Gang gesetzt werden.

Einiges müssen Nutzer beachten, bevor sie in die Kälte schreiten: Sie müssen die Ohren, Hände und Mund vor den Minusgraden schützen und dürfen nichts anfassen. Haare und Haut müssen komplett trocken sein. Pflaster, Kontaktlinsen und Piercings müssen entfernt werden. Und das Herzkreislaufsystem sollte in Ordnung sein. Bluthochdruckpatienten beispielsweise werde von einem Besuch abgeraten, sagt de Marées.

Bundesligavereine wie Bayer 04 Leverkusen haben solch eine Kammer in Betrieb genommen, auch das Bundesleistungszentrum Kienbaum im Umland von Berlin hat eine im Angebot. „Wenn Sportler 14 Tage bei uns verbringen, dann nutzen sie die Kammer durchschnittlich vier- bis fünfmal in dieser Zeit“, sagt Kienbaum-Geschäftsführer Klaus-Peter Nowack. Empfohlen werde die Kältetherapie etwa nach einer intensiven Trainingseinheit, um Muskelbeschwerden zu vermeiden. Auch vor einer größeren Belastung nutzen die Sportler die Kälte, sie gilt laut de Marées als Möglichkeit zur kurzfristigen Leistungssteigerung.

Immer wieder finden sich Berichte über Besucher solcher Kältekammern, etwa in Hotels in Österreich. „In Wellness- und Spa-Einrichtungen in Deutschland kommen Kältekammern eher selten vor“, sagt Lutz Hertel vom Deutschen Wellness Verband in Düsseldorf. Genaue Daten über die Häufigkeit lägen ihm nicht vor, in Polen aber seien wohl mehr Wellnesshotels mit Kältekammern ausgestattet. Die Investitionskosten seien sehr hoch. Er rate von einem Betrieb ohne fachärztliche Präsenz ab.

Infrage kommt das Verfahren laut Frank Ruppenthal vom das Immanuel Krankenhaus Berlin, eine Spezialklinik für Rheumaorthopädie, Rheumatologie und Naturheilkunde, unter anderem für Rheuma- und Schmerzpatienten, Menschen mit Schlafstörungen, Depressionen oder Burn-Out-Syndrom sowie für Patienten mit Hauterkrankungen. Wo dies möglich ist, würden tägliche Gänge verordnet, etwa 10 bis 15 Mal gehören zu einem Behandlungszyklus. In der Zeit danach sollten sich die Patienten aktiv bewegen, in speziellen Fällen werde die Schmerzfreiheit zu Physiotherapie genutzt.

Zur Kältetherapie gibt es eine Reihe von Studien, der Nutzen und die Wirkung sind jedoch nicht eindeutig. „Wissenschaftlich direkt mit Fakten ist wenig belegt zu dieser Form von Kältetherapie, die Studienergebnisse sind sehr heterogen“, sagt de Marées. So sei die Zahl der Studienteilnehmer oft sehr niedrig, die Verweildauer in der Kammer unterschiedlich, und die Kältetherapie werde teils nicht isoliert angewendet, sondern beispielsweise mit Medikamenten oder anderen physikalischen Verfahren kombiniert.

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