1,5 Millionen Deutsche sind medikamentenabhängig

Berlin (dpa) - Mehr als 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind abhängig von Medikamenten. Sie greifen im Beruf oder Studium zu Pillen, um leistungsfähiger zu werden.

Auch unter den Hobbysportlern ist der Anteil derer, die sich mit Medikamenten dopen, größer als lange angenommen, berichten Sportwissenschaftler. „Etwa vier bis fünf Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente können abhängig machen, vor allem Schlaf- und Beruhigungsmittel“, sagte Heinz-Günter Wolf, Präsident der Apothekenvereinigung ABDA. Zusammen mit dem ADAC und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) diskutierten Experten am Donnerstag in Berlin über Strategien gegen Medikamentenmissbrauch.

Während es im Breitensport unter den Hobbyläufern vor allem um den Konsum von Nahrungsergänzungs- und Schmerzmitteln gehe, stelle sich die Situation in Fitness-Studios noch dramatischer dar, berichtete Mischa Kläber, Sportwissenschaftler der TU Darmstadt. „Dort hat sich über Jahrzehnte hinweg ein Milieu ausdifferenziert, in dem Jugendliche, Erwachsene und Rentner trotz der gesundheitsorientierten Mahnungen etlicher Experten und ohne medizinische Indikatoren auf hohem Niveau Medikamente zur sportlichen Leistungssteigerung konsumieren.“

Rund ein Fünftel greife zu solchen Mitteln. Bei knapp sieben Millionen registrierten Studiobesuchern bedeute dies mehrere 100 000 Konsumenten - Dunkelziffer exklusive. Laut Kläber verläuft eine typische Kraftsport-Biografie in mehreren Etappen - vom Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln über Humanarzneien, Tierarzneien bis hin zu Betäubungsmitteln. „Beharrliche und rigorose Aufklärungsarbeit ist wichtig“, betonte Kläber. Zudem müssten Fitness-Studios zur mehr Kontrolle verpflichtet und Mediziner, die mitmischen, stärker sanktioniert werden.

Aber auch in Beruf und Studium greifen viele ohne medizinischen Grund zu Mitteln, um ihre Leistung zu steigern oder die Stimmung aufzuhellen. Einer DAK-Studie von 2009 zufolge betreiben rund 800 000 Arbeitnehmer Doping am Arbeitsplatz. Dabei geht zumeist ein Missbrauch - auch von rezeptfreien Abführmitteln oder Nasensprays - einer Abhängigkeit voraus. Prof. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, stellte einen Leitfaden vor, mit dem Apotheker „kritischen“ Arzneimittelkonsum besser erkennen können.

Nicht zuletzt gehen auch Autofahrer ein hohes Risiko ein, wenn sie sich unter dem Einfluss von Schmerzmitteln ans Steuer setzen. „Fahruntüchtigkeit aufgrund zu hoher Dosierung oder Missbrauch von Medikamenten wird ebenso bestraft wie eine Alkoholfahrt ab 1,1 Promille“, betonte ADAC-Präsident Peter Meyer. Der Umgang mit Medikamenten müsse in vieler Hinsicht wieder vernünftiger werden, forderten die Organisatoren des Symposiums geschlossen.

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