Kosten beim Kieferorthopäden Vorkasse für die Zahnspange? Das sollten Patienten wissen

Düsseldorf · Wenn der Kieferorthopäde Geld sehen will, geht nicht immer alles mit rechten Dingen zu. Ein Urteil zu einem Fall in NRW bringt neue Erkenntnisse. Was das für Patienten bedeutet.

 Die gesetzlichen Kassen übernehmen die vollen Kosten für Behandlungen, die bis zum 18. Lebensjahr begonnen wurden. Aber nur, wenn dies etwa wegen Zahnfehlstellungen indiziert ist.

Die gesetzlichen Kassen übernehmen die vollen Kosten für Behandlungen, die bis zum 18. Lebensjahr begonnen wurden. Aber nur, wenn dies etwa wegen Zahnfehlstellungen indiziert ist.

Foto: imago/Westend61/imago stock&people

Über die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland trägt eine Zahnspange. Ob die damit verbundene langwierige Behandlung immer notwendig ist,  können Verbraucherschützer zwar nicht beurteilen. Wohl aber können sie überprüfen, ob bei der Bezahlung kieferorthopädischer Leistungen alles mit rechten Dingen zugeht. Und eben das ist nicht immer der Fall.

Das jedenfalls wurde der  Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in einem gegen einen Kieferorthopäden durchgefochtenen Rechtsstreit vom Oberlandesgericht Hamm bestätigt: Der Mediziner darf seinen Patienten beziehungsweise deren Eltern nicht einfach eine vorformulierte Erklärung vorlegen, dass diese eine Vorschuss- oder Ratenzahlung akzeptieren sollen.

Eine Regelleistung trägt die Krankenkasse zu 100 Prozent

Um das Urteil zu verstehen, muss man sich zunächst klar machen, wie die kieferorthopädische Behandlung grundsätzlich finanziert wird: Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die vollen Kosten für Behandlungen, die bis zum 18. Lebensjahr begonnen wurden. Aber nur dann, wenn dies etwa wegen Zahnfehlstellungen indiziert ist. Kosmetische Behandlungen bezahlt die Kasse dagegen nicht.

Von den Kosten, die die Kasse für die Regelbehandlung voll trägt, müssen die Eltern allerdings zunächst 20 Prozent selbst bezahlen. Sie bekommen diesen Eigenanteil aber später von der Kasse erstattet, wenn der Kieferorthopäde am Ende der Behandlung deren Erfolg bescheinigt. So soll verhindert werden, dass eine einmal begonnene Behandlung abgebrochen wird.

Bei dem Streit ging es um privat zu zahlende Zusatzleistungen

Um diese von den Kassen voll finanzierte Behandlung geht es in den Streitfällen aber nicht. Sondern um privat finanzierte Zuzahlungen: wenn nämlich der Kieferorthopäde die Eltern des Patienten davon überzeugt, dass sie bestimmte Extras bestellen. Da geht es zum Beispiel um zahnfarbene  Brackets (Befestigungselemente für die Drähte der Zahnspange) oder um superelastische Bögen (besseres Material) oder um eine professionelle Zahnreinigung. Hier kommt es dann immer wieder zu den von der Verbraucherzentrale beklagten Vorleistungen der Patienten. Verena Querling, Rechtsanwältin bei den Düsseldorfer Verbraucherschützern,  sagt: „Der Verbraucherzentrale liegen zahlreiche Beschwerden von Verbrauchern vor, denen speziell für Zusatzleistungen solche Zahlungsvereinbarungen vorgelegt werden.“

Eben damit sollte nun nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az. I-4 U 145/16) Schluss sein. Von den Medizinern vorformulierte Vergütungsvereinbarungen zu einmaligen Vorschüssen oder Ratenzahlungen des Patienten vor der Behandlung sind danach nicht erlaubt.

Zu Recht, wie die Verbraucherschützer finden. Weil nämlich die Mediziner zu ihren eigenen Gunsten eine Notsituation der Patienten ausnutzten. Die Verbraucherzentrale argumentiert: Patienten oder Eltern wollen das Beste für sich oder ihr Kind und verlieren oftmals die Kostenkontrolle, wenn sie sich auf Raten- oder Vorschusszahlungen der ärztlichen Extras einlassen. Gerade bei langen Behandlungszeiträumen, wie sie in der Kieferorthopädie üblich sind, fällt es Patienten schwer, den Überblick zu behalten und zu wissen, welcher Behandlungsschritt schon bezahlt ist. Und dann werde es bei einem möglichen Wechsel des Kieferorthopäden problematisch, eventuell zu viel gezahltes Geld zurückzuverlangen.

Das rät die Verbraucherzentrale den Eltern der Patienten

Die Verbraucherzentrale NRW rät, solche Vereinbarungen erst gar nicht zu unterschreiben. Stattdessen sollten Kieferorthopäden nach jedem Behandlungsschritt eine Rechnung für die jeweilige Leistung erstellen. Sollten die Mediziner auf Vorauskasse oder Ratenzahlung bestehen, sei es ratsam, sich von der Krankenkasse beraten zu lassen und über einen Wechsel nachzudenken.

Patienten oder Eltern, die bereits eine solche Vereinbarung abgeschlossen haben, rät die Verbraucherzentrale: den Kieferorthopäden auffordern, nach jeder Behandlung die erbrachte Leistung und die angefallenen Kosten gesondert auszuweisen und mitzuteilen. Dies erleichtere es, den Überblick zu behalten – auch über einen langen Behandlungszeitraum hinweg.

Wer mit der Behandlung des Kieferorthopäden unzufrieden ist und einen Arztwechsel wünscht, muss den Vertrag zu den vereinbarten Zusatzleistungen schriftlich kündigen. Die Krankenkasse muss dem aber zustimmen. Für die Endabrechnung muss der bisherige Arzt dann eine detaillierte Übersicht über bereits erfolgte Behandlungsschritte und bereits entstandene und abgerechnete Kosten vorlegen. Aus dieser Übersicht ergibt sich, ob Patienten Geld zurück verlangen können oder ob der Kieferorthopäde auf eine Nachzahlung pochen kann.

Die Verbraucherzentrale NRW hat auf ihrem Portal „Kostenfalle Zahn“ einen Leitfaden zur Kieferorthopädie bei Kindern zusammengestellt. Gratis herunterzuladen unter:

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