Reine Online-Scheidungen gibt es nicht

München/Düsseldorf (dpa/tmn) - In fünf Minuten geschieden: Rund 540 000 Ergebnisse liefert die Suchmaschine Google dem, der die Suchbegriffe „online“ und „Scheidung“ eingibt. Immer mehr Internetportale versprechen die stressfreie Trennung zum Schnäppchenpreis.

Einfach online das Formular ausfüllen, abschicken, und schon ist ganz ohne Rosenkrieg die Scheidung vollzogen, werben Anbieter. Doch ohne Beratung können Paare finanzielle Nachteile erleiden. Und zum Gericht müssen die Partner trotzdem.

„Scheidung ohne Stress“, „Scheidung ab 49 Euro“ oder „Scheidung von zu Hause“, versprechen die einschlägigen Internetseiten. Doch so schnell geht es in der Regel nicht. „Geschieden wird im Gericht - nicht online“, stellt Isabell Götz klar, Familienrichterin am Oberlandesgericht München und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstags. Nur die Vorbereitungen zum Verfahren ließen sich per Mausklick erledigen.

Auch Christoph Pruefer, dessen Unternehmen in Düsseldorf die Seiten Easy-divorce.de und Scheidung.de betreibt, räumt ein: „Wir sind schon eher Vermittler. In Deutschland braucht man noch immer einen Anwalt und muss auch persönlich vor Gericht erscheinen.“ In anderen Ländern sei das bereits anders: In Polen, China und Russland könne sein Unternehmen die Scheidung auch zu Ende bringen. Schneller als ein konventionelles Verfahren sei die Onlinescheidung aber - vorausgesetzt, die Noch-Ehepartner sind sich in allen Punkten einig.

Auf Scheidung.de zum Beispiel dauert es nach Angaben der Betreiber „etwa zehn Minuten“, bis die Formulare am Rechner ausgefüllt sind. Die fertigen Unterlagen kommen per Post. Segnet man diese per Email ab, reicht ein Kooperationsanwalt des Portals den Antrag bei Gericht ein. Es folgt der eigentliche Scheidungstermin. „Der dauert keine 15 Minuten“, sagt Pruefer. Kosten würden vor allem dadurch gespart, dass lange und damit teure persönliche Beratungsgespräche sowie Schreiben an den Ehegatten wegfallen.

Für Familienrichterin Götz liegt genau darin das Problem: „Familiensachen sind komplex. Und manchmal stößt man erst bei der Beratung auf regelungsbedürftige Dinge.“ Selbst Paaren, die sich absolut einig sind, rät sie daher zu einem persönlichen Gespräch mit einem Anwalt. „Schon der Begriff 'Onlinescheidung' suggeriert den Mandanten fälschlicherweise, eine Scheidung sei ganz unproblematisch“, sagt auch Matthias Grandel, Fachanwalt für Familienrecht in Augsburg. Er lehnt die Onlinescheidung kategorisch ab.

Viele Mandanten seien sich zwar einig, dass die Ehe gescheitert ist. Doch die Rechtsfolgen der Scheidung könnten sie als Laien nicht überschauen. Manchmal seien die Folgeprobleme so gravierend, dass ein dauerhaftes Getrenntleben für die Eheleute günstiger sei als eine Scheidung, erläutert Grandel, der auch Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) in Berlin ist. Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Scheidungsantrag? Stellen sich beide Partner vielleicht finanziell besser, wenn sie mit der Scheidung noch warten? Was ist mit dem Versorgungsausgleich?

Welches Verfahren im Einzelfall ratsam ist, zeige erst die Erstberatung, lautet Grandels Begründung. Diese dauert eine Stunde und beleuchtet die familienrechtliche Situation. Onlineformulare könnten das nicht leisten. So seien viele Ehefrauen in der Krankenversicherung ihres Mannes mitversichert und ständen mit Scheidungsvollzug ohne Krankenversicherung da. Ehefrauen von Beamten fielen aus der Beihilfe ihres Mannes heraus und müssten sich dann bei fortgeschrittenem Alter zu sehr teuren Tarifen privat versichern. „Für manche ist das gar nicht finanzierbar. Ich denke, darüber sollten die Betroffenen vorher aufgeklärt werden“, sagt Grandel.

Stefan Arnst, Fachanwalt für Familienrecht in Düsseldorf, bietet anders als sein Anwaltskollege Onlinescheidungen an. Er betont aber, dass Beratungen sein Hauptgeschäft seien. „Onlinescheidungen funktionieren nur, wenn die sogenannten Trennungs- und Scheidungsfolgen wie Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht und Zugewinnausgleich geklärt sind und es keinerlei Beratungsbedarf gibt.“ Das sei selten. Für kinderlose Paare zwischen 35 und 45 Jahren, die in etwa das Gleiche verdienen, käme die Onlinescheidung noch am ehesten in Betracht. „Die haben sich auseinander gelebt, das Trennungsjahr hinter sich gebracht und wollen jetzt nur noch den offiziellen Akt.“

Die Gebühren seien - unabhängig davon, ob die Mandanten persönlich zu ihm kommen oder ihm die Unterlagen zumailen -, identisch. „Das richtet sich nach der Gebührenordnung“, sagt Arnst. Die Scheidung zum Schnäppchenpreis gebe es nicht. Entsprechende Werbung auf einschlägigen Portalen sei irreführend. Falsch sei auch die weit verbreitete Annahme, dass man sich im gerichtlichen Scheidungsverfahren einen gemeinsamen Anwalt nehmen könne. „Das gehört ins Lexikon der Rechtsirrtümer“, so Grandel. Ein Anwalt dürfe immer nur eine Seite vertreten. Möglich ist nur, fügt Götz hinzu, dass einer der Partner keinen Anwalt hat.

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