Erben in Europa: Die neue EU-Verordnung birgt einige Änderungen

München/Berlin (dpa/tmn) - Den Lebensabend im Ausland zu verbringen ist für viele ein Traum. Doch was, wenn man in der neuen Heimat stirbt? Welches Erbrecht gilt? Eine neue EU-Verordnung soll das Erben im Ausland vereinfachen.

Informationen für potenzielle Erblasser.

Rund neun Millionen Europäer leben derzeit nicht in ihrem Geburtsland. Im Todesfall kann das zu einem Problem werden. Denn welches Recht gilt, wenn der Onkel in Frankreich verstirbt, seine Nichten und Neffen aber in Deutschland wohnen? Geregelt werden soll dies mit einer neuen EU-Verordnung, die das Europäische Parlament gerade verabschiedet hat. Sie legt fest, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen anwendbar ist und welche Behörden zuständig sind.

Derzeit ist das Erbrecht in den Staaten der EU nämlich alles andere als einheitlich: So erben Kinder und Ehepartner nach deutschem Recht beispielsweise gemeinsam. In Schweden hingegen kann der Ehemann trotz gemeinsamer Kinder Alleinerbe sein. In einigen Ländern entscheidet die Staatsangehörigkeit des Erblassers über das jeweilige Erbrecht. In anderen Staaten wiederum der letzte Wohnort des Verstorbenen. „Bei jährlich etwa 450 000 Erbschaften in der EU mit Auslandsbezug wurde es höchste Zeit für eine einheitliche europäische Regelung“, meint Anton Steiner, Fachanwalt für Erbrecht und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht in München.

Erbfall mit Auslandsbezug bedeutet, dass der Verstorbene nicht die Staatsangehörigkeit seines Wohnsitzlandes hatte, Vermögen im Ausland hinterlässt oder mit einem Angehörigen eines anderen ausländischen Staates verheiratet war. Doch was beinhaltet die EU-Neuregelung konkret? Thomas Diehn, Geschäftsführer der Bundesnotarkammer in Berlin, erläutert: „Für jedes Nachlassverfahren gilt fortan die Rechtsordnung des letzten Wohnortes des Erblassers. Auch das neue Europäische Nachlasszeugnis, eine Art einheitlicher Erbschein für grenzüberschreitende Nachlässe, wird die Abwicklung von Erbfällen ganz erheblich vereinfachen und beschleunigen.“ Bislang müssen sich Erben in jedem betroffenen Land ein dort gültiges Nachlasszeugnis ausstellen lassen.

Noch ist die EU-Verordnung zwar nicht in Kraft, der Ministerrat muss noch zustimmen. Doch das „Ja“ gilt als sicher. „In voraussichtlich drei Jahren wird die Regelung anwendbar sein“, erklärt Erbrechtsexperte Steiner. „Lediglich Großbritannien, Irland und Dänemark werden vermutlich einen Sonderweg gehen.“

Handlungsbedarf bestehe schon jetzt für all diejenigen, die im Ausland lebten, aber trotzdem nach dem Recht ihres Heimatlandes vererben wollten: Testamentarisch können sie bestimmen, dass für ihren Nachlass nicht das Erbrecht ihres Wohnsitzes, sondern das ihrer Staatsangehörigkeit gelten soll.

Keinerlei Änderungen gibt es hinsichtlich Erbschafts- oder Schenkungssteuer: „Sie werden weiterhin erhoben wie bisher“, erklärt der Rechtsanwalt Daniel Lehmann vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Er fügt hinzu: „Die Neuregelung greift auch nicht in die nationalen Erbrechtsordnungen ein, etwa das deutsche Pflichtteilsrecht oder die nationalen Regeln zur erbrechtlichen Versorgung des überlebenden Ehepartners. Die Verordnung regelt nur, welche der nationalen europäischen Erbrechtsordnungen anzuwenden ist.“

Bisher könne hier in einem Erbfall ein großes Durcheinander entstehen. „Ein Testament lässt sich schon heute ändern“, erklärt Lehmann. Allerdings sei es ratsam, alte Testamente im Moment noch nicht zu entsorgen: „Es kann ja sein, dass der Testator vor der Anwendbarkeit der Verordnung im Sommer 2015 verstirbt.“ Fachanwalt Steiner fügt hinzu: „In Staaten, die nicht zur EU gehören, gilt weiter deren jeweiliges Internationales Privatrecht. Jeder Staat hat eigene Gesetze, die festlegen, welches nationale Erbrecht bei einem Erbfall mit Auslandsbezug anzuwenden ist.“

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