Weihnachtsgeschenke auf Pump locken in Schuldenfalle

Lüneburg (dpa) - Wer an Weihnachten Familie und Freunde beschenken will, muss tief ins Portmonee greifen. Doch bei Jugendlichen ist das oft nicht so dick. Dann kaufen einige auf Pump ein. Eine gefährliche Sache, weil man schnell den Überblick über die Finanzen verliert.

Ein neues Fahrrad, ein neuer Computer und alle paar Monate ein gebrauchtes Auto: Wünsche, die einen Jugendlichen schnell in den Ruin treiben. Jean Hamann erfüllte sie sich und rutschte endgültig in die Schuldenfalle, als er sich auch noch eine zu teure Wohnung leistete. „Ich habe über meine Verhältnisse gelebt und dabei weggeguckt“, sagt der heute 29-Jährige.

Das hatte für ihn dramatische Folgen. „Fatal sind die leichtfertig bereitgestellten Kleinkredite ohne Schufa“, sagt Schuldnerberater Jörg Hubert. „Auch Weihnachtsgeschenke auf Pump sind eine große Verlockung, aber gleichzeitig eine Falle“, warnt der Experte vom Verein Schuldnerberatung Lüneburger Heide.

Für Hamann zog sich die Schlinge zu, als ihm das Konto gesperrt wurde und eine Lohnpfändung drohte. Sein Chef kündigte daraufhin den Ausbildungsplatz und seine Freundin verließ ihn. Der junge Mann war verzweifelt und fuhr mit dem Auto gegen einen Brückenpfeiler. Doch er hatte einen Schutzengel. Mittlerweile sieht er wieder eine schuldenfreie Zukunft für sich. Zwei Jahre lang half ihm Schuldnerberater Dierk Hilterhaus, mit den Gläubigern übereinzukommen.

Vor allem die unter 30-Jährigen sind immer öfter überschuldet. Kauf-, Spiel- oder Drogensucht und Arbeitslosigkeit sind häufige Gründe. „Ältere kommen oft mit krankmachenden Syndromen wie Schlaflosigkeit, Magen-Darm-Problemen oder Angstzuständen“, betont Hubert. Doch nur die wenigsten wenden sich an die öffentliche Schuldnerberatung. Dabei könnten die mehr als 1000 Beratungsstellen in Deutschland oft unentgeltlich helfen, Streit vor Gericht oder Insolvenzen zu vermeiden.

Im niedersächsischen Lüneburg und Celle hat der staatlich anerkannte Verein seit seiner Gründung 2008 etwa 900 Familien wieder auf die Beine geholfen. Jedes erste Gespräch dort ist kostenfrei und weitere Unterstützung in der Regel auch. „Wir kümmern uns zuerst um die Sicherung von Wohnung und Energieversorgung, wenn die gefährdet ist“, schildert Hilterhaus die Hilfe. Danach prüft der Berater, ob alle Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft sind und welche Ausgaben gestrichen werden können. Langfristige Handy-, Fitness- oder unnötige Versicherungsverträge werden gekündigt. „Wenn wir wissen, was an Geld zur Verfügung steht, kann ein Plan mit festen Raten aufgestellt und den Gläubigern ein Vorschlag unterbreitet werden“, sagt Dierk Hilterhaus. Bei einer Einigung kommt es nicht zur Insolvenz.

Auch eine Familie aus der Region Lüneburg kam mit einem blauen Auge davon. Mit einer privaten Insolvenz hätte sie hr bereits acht Jahre lang abbezahltes Eigenheim verloren. Sie hatte Kredite über 275 000 Euro angehäuft. „Mir wurde übel, als ich die Summe erfuhr“, berichtet die 33 Jahre alte Mutter. Ihr Mann verdiente nur im Sommer gut. Mit immer neuen Krediten stopfte das Ehepaar die Löcher, die im Winter entstanden, bis nichts mehr ging. Über anderthalb Jahre handelte der Schuldnerberater einen Vergleich mit den Gläubigern aus.

„Das passiert mir nie wieder im Leben“, sagt die Mutter. Dass ihre Kinder nun nur noch einen Wunsch von der Liste für den Weihnachtsmann erfüllt bekommen und die Familie bei größeren Geschenken zusammenlegt, findet sie eher positiv: „Die Kinder lernen, dass wir nicht im Schlaraffenland leben und werden bescheidener“, sagt die 33- Jährige.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort