Bloß keine Blumen Was Mütter zum Muttertag wirklich wollen

Stuttgart (dpa) - Annette Loers möchte nicht. Sie möchte keinen Gutschein für Maniküre, auch keine selbstgebastelten Batikherzen. Zum Muttertag braucht die Mutter zweier Kinder all diese Dinge nicht.

Bloß keine Blumen: Was Mütter zum Muttertag wirklich wollen
Foto: dpa

Die 46-jährige Stuttgarterin bloggt über das Leben als Alleinerziehende - und vom Muttertag hält sie recht wenig. „Als Alleinerziehende ist mein Wellnessprogramm, wenn ich dusche. Oder wenn ich mal essen kann, was ich möchte,“ sagt sie.

Deshalb hat sie sich im vergangenen Jahr mit anderen Bloggerinnen und Bloggern zusammengetan und den Hashtag #Muttertagswunsch ins Leben gerufen. Sie fluteten die sozialen Netzwerke - und schrieben, was sie sich tatsächlich zum Muttertag wünschen. Denn so, wie der Muttertag heute begangen wird, können viele Mütter wenig damit anfangen.

Kritik am Muttertag ist nichts Neues. Da ist einerseits die Blumenindustrie, die mit dem Tag ordentlich Geld verdienen will. Dann natürlich der geschichtliche Hintergrund: Im Nationalsozialismus wurde er als „Ehrentag“ der kinderreichen Mutter missbraucht. Und nicht zuletzt: Wer will schon einmal im Jahr Wertschätzung, und sich die restlichen 364 für Job, Haushalt, Familie aufreiben?

Was wollen Loers und Co. stattdessen? Aufmerksamkeit - dafür, was Familien und Mütter wirklich brauchen. „Schenk mir keine Blumen, schenk mir eine Lobby“, formuliert es Cornelia Spachtholz vom Verband berufstätiger Mütter, der sich ebenfalls am #Muttertagswunsch beteiligt. Flexible, finanzierbare Kinderbetreuung, eine Kindergrundsicherung, Lohngerechtigkeit, die Abschaffung des Ehegattensplittings und Einführung einer Individualbesteuerung - eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nennt Spachtholz einige Beispiele für ihre Wünsche.

Fakt ist: In Deutschland bekommen Frauen über 20 Prozent weniger Gehalt als Männer, das ist der sogenannte Gender Pay Gap. Auch bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation waren es 2014 noch sechs Prozent. Viel mehr Mütter als Väter entscheiden sich nach der Geburt eines Kindes für Teilzeit - und leisten somit unbezahlte Arbeit im Haushalt (Gender Care Gap). Das wiederum führt dazu, dass Frauen deutlich weniger Rente als Männer bekommen ( Gender Pension Gap).

So gesehen geht es darum, den Muttertag neu zu interpretieren - ihm einen neuen Anstrich zu geben. „Ein bisschen mehr so wie der Internationale Frauentag“, sagt Spachtholz. „Ich finde, das ist ein guter und wichtiger Tag“, sagt auch Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks. Nur in der Ausgestaltung sei der Muttertag sehr eindimensional. Er vermittle ein Rollenbild, das nicht der Realität entspreche.

„Wir haben eine Realität, in der Frauen mit beiden Beinen im Leben stehen“, sagt sie. Sie beobachtet, dass Frauen an vielen Stellen - im Job, als Mutter, in der Ehe und als Freundin, gefordert sind. Das kollidiere häufig mit der Realität - denn es fehle an Unterstützung. „Frauen haben einen wahnsinnigen Druck, sie fühlen sich zerrissen“, kritisiert Schilling. Und oftmals werde ihnen das Gefühl vermittelt: Die Mutterrolle sei die allerwichtigste - ein überholtes Mutterbild.

Anders sieht das die durchaus umstrittene Konservative Birgit Kelle. „Es wird immer künstlich so getan, als wären das überholte Geschlechterklischees“, kritisiert sie. Die Frau, die Kinder großziehe - das sei die Realität in Deutschland. Sie prangert an, dass es eine Kluft zwischen Menschen mit und Menschen ohne Kindern gebe.

„Die stille Leistung von Müttern wird nicht honoriert, sie bekommen einmal im Jahr einen Blumenstrauß“, sagt auch sie. Die Autorin des Buches „Gendergaga“ setzt allerdings eher auf ein traditionelles Familienbild. Den Muttertag feiert sie mit ihren Kindern auch nicht, über Selbstgebasteltes freut sie sich allerdings dennoch.

Die Alleinerziehende und Bloggerin Loers hingegen ist genervt - von unpassenden Bastelein aus der Schule und der konservativen Ausrichtung des Tages. „Die Mütter kriegen Frühstück zum Muttertag und zum Vatertag gehen die Männer einen heben“, sagt sie. Das zementiere Rollenklischees. „Ich wünsche mir, dass die Sorge für andere Menschen dieselbe Anerkennung bekommt wie Erwerbsarbeit“, twittert sie auch in diesem Jahr wieder - unter #Muttertagswunsch.

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