Spontan war gestern - Eltern werden und die Freunde behalten

Berlin (dpa/tmn) - Ein Kind verändert alles. Was in der Theorie jedem einleuchtet, kann für Freundschaften das Ende bedeuten. Denn oft trennen frisch gebackene Eltern und ihre kinderlosen Freunde Welten.

Mit etwas Mühe können sie den Spalt aber überbrücken.

Die Geburt eines Kindes bedeutet eine große Veränderung. Bei den vielen neuen Aufgaben und schlaflosen Nächten bleibt den Eltern oft wenig Zeit und Energie für den Rest. „Und dazu kommt, dass sich die Prioritäten verschieben: Einiges, was vorher eine zentrale Rolle gespielt hat, erscheint einem vielleicht gar nicht mehr wichtig“, sagt Karin Jacob, Erziehungsberaterin im SOS-Familienzentrum Berlin. Betroffen vom Babyglück sind häufig auch die Freundschaften.

Die Beziehung zu Freunden lebt von gemeinsam verbrachter Zeit, Interessen und gegenseitigem Verständnis. Doch manchmal schrumpft die Schnittmenge zwischen den frischgebackenen Eltern und ihren kinderlosen Freunden stark zusammen.

Andere kommen zwar zeitlich nach wie vor auf einen Nenner, wissen aber nichts mehr miteinander anzufangen. Etwa, weil der alte Beziehungsinhalt fehlt - zum Beispiel lange Partynächte. Oder sie verlieren den Draht zueinander, weil ihnen der jeweils andere durch die neue Situation plötzlich fremd erscheint. „Das ist durchaus nachvollziehbar. Schließlich hat sich den jungen Eltern durch die Geburt ihres Kindes eine ganz andere Welt mit vielen neuen Erfahrungen, Gefühlen und herausfordernden Aufgaben eröffnet“, erklärt die Familienberaterin Gerlinde Gailer in Halle.

Fehlt Menschen dieser Hintergrund, fällt es ihnen oft schwer nachzuvollziehen, welche Fragen junge Eltern bewegen. „Manches ist für Nichteltern sicher langweilig. Ähnlich wie wenn jemand ein neues Hobby hat, und jedes noch so kleine Detail erzählt“, sagt Gailer.

Umgekehrt fehlt den neuen Müttern und Vätern teils ebenfalls das Verständnis für die Belange ihrer kinderlosen Freunde. Denn vieles erscheint nebensächlich im Vergleich zu dem, was sie nun bewegt.

Weniger Zeit und auseinanderlaufende Interessen: All das kann zu einer zunehmenden Distanz führen. „Beziehungen, die eher oberflächlich sind, brechen tatsächlich oft auseinander. Eine echte Freundschaft, in der man gemeinsam durch dick und dünn geht, übersteht die Belastungsprobe aber in aller Regel“, erklärt der Bremer Psychologe Frank Baumgärtel.

Von alleine funktioniert das aber nicht. Da das Elternsein Menschen verändert, muss man selbst bei einer guten Freundschaftsbasis Arbeit investieren. Dazu gehört, aufeinander einzugehen. Also zu verstehen, wie sich der Alltag beim anderen geändert hat und warum sich seine Prioritäten verschoben haben.

„Die Zeiten, in denen man einfach spontan losziehen konnte, sind erst mal vorbei. Aber es gibt Babysitter und viele Möglichkeiten, Kind und Freunde unter einen Hut zu bekommen“, sagt Gailer. Etwa das Picknick im Park oder das Abendessen zu Hause, wo Eltern ihr Kind ins Bett bringen können, wenn es müde wird.

Übertreiben sollten Eltern es mit der Zusammenführung von Kindern und Freunden allerdings nicht. „Man kann von seinen Freunden natürlich Interesse für seinen Nachwuchs erwarten. Das heißt aber nicht, dass sich die Welt für sie plötzlich auch nur noch um Kinder dreht“, sagt der Psychologe Baumgärtel. Dementsprechend sollte man versuchen, ihnen nicht nur Geschichten übers Elternsein zu erzählen und sie zwischendurch immer wieder mal alleine zu treffen. „Das ist wichtig für den Erhalt der Freundschaft, weil man sich so auf ihren ursprünglichen Kern besinnt.“

Service:

Junge Eltern, die sich nach der Geburt ihres Kindes in ihrem Freundeskreis außen vor fühlen und Ratschläge suchen, finden Hilfestellung bei Erziehungs- und Familienberatungsstellen. Auf der Homepage der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung gibt es eine Suchmaschine mit Adressen aus der Region.

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