Geölter Sarg und Bio-Urne Öko-Bestattungen liegen im Trend

Bad Honnef · Bei Bestattungen achten Angehörige zunehmend auf den Schutz der Umwelt. Ausnahmen sind aber weiter möglich: Wenns unbedingt sein muss, bekommt der Tote sogar ein Bier mit auf den Weg.

Öko-Bestattungen liegen im Trend
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Der Sarg geölt statt lackiert, die Urne aus Maisstärke, Papier oder Holzkohle und der Anzug des Toten polyesterfrei - nachhaltige Beerdigungen liegen zunehmend im Trend.

„Menschen ist ihr ökologischer Fußabdruck wichtig. Sie wollen die Umwelt auch mit dem letzten Schritt nicht unnötig belasten“, sagt Carolin Oberheide vom Bundesverband Bestattungsbedarf in Bad Honnef. Das spiegele sich immer stärker in der Nachfrage der Kunden.

Urnen für die Asche nach Feuerbestattungen würden etwa inzwischen ganz überwiegend nachhaltig bestellt - etwa aus Holzkohle, Maisstärke, Lehm, Naturfasern oder neuerdings sogar aus Papier, sagt der Vize-Vorsitzende des Verbandes, Jürgen Stahl, dem knapp 60 deutsche Hersteller und Anbieter von Dienstleistungen rund um die Bestattung angehören. Rund 70 Prozent der Urnen seien inzwischen biologisch ohne Rückstände abbaubar - vor zehn Jahren habe der Anteil noch bei nur rund zehn Prozent gelegen.

Geölte Särge mit Holzgriffen

Holzsärge waren auch bisher schon ein Naturprodukt, jetzt achten aber immer mehr Bestatter auch darauf, dass sie nicht lackiert, sondern nur geölt oder gewachst werden, damit keine Chemie ins Erdreich gelangt. Die Griffe sind dabei oft aus Holz oder Seil statt Kunststoff oder Metall.

Das Holz sollte möglichst aus regionalem Anbau kommen, sagt der Bonner Bestattermeister Werner Kentrup, der für das mit seiner Frau zusammen entwickelte Nachhaltigkeitskonzept „Grüne Linie“ bereits mehrfach ausgezeichnet worden ist. Der bayerische Hersteller Hans Wendel, der unter anderem Särge für Krematorien herstellt, gestaltet sogar sein Verpackungsmaterial so geschickt, dass es später rückstandslos als Kissenfüllung für den Toten im Sarg verwendet werden kann.

Kentrup und sein Team polstern die Särge mit Stroh oder Holzwolle aus - nicht mit Polyester. „Wir beerdigen keine Kunststoffsachen“, sagt der Bestatter. Das sollte möglichst auch für die Kleidung des Toten im Sarg gelten, sagt er. Kleidung aus Baumwolle oder Leinen brauche nur rund fünf Monate, um von der Natur abgebaut zu werden. Kleidung aus Polyester bleibe dagegen Jahrzehnte lang völlig unverändert und störe die natürlichen Prozesse im Erdreich.

Gefüllt mit regionaler Schafwolle

„Da kann man doch den Schlafanzug des Toten nehmen, den man sonst weggeworfen hätte“, sagt Kentrup. Der Bestattungswäsche-Hersteller Thomas Nunnenkamp aus Lübbecke in Ostwestfalen setzt auf Decken aus Leinen und Biobaumwolle, gefüllt mit regionaler Schafwolle. Kragen würden mit umweltfreundlichem Material versteift, die Knöpfe bestehen aus regionalem Holz, verspricht der Hersteller.

Rund 220.000 Menschen sterben in Nordrhein-Westfalen pro Jahr nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamtes von 2021. Bundesweit sind es gut eine Million. Für ihre würdevolle Beerdigung sind allein im bevölkerungsreichsten Land NRW knapp 1300 Bestattungsinstitute mit über 5600 Beschäftigten zuständig - ein nicht unwichtiger Handwerkszweig.

Dass sich in einer wesentlich mobileren Gesellschaft mit vielen Singles die Schwerpunkte dabei stark verändert haben, sieht man schon am starken Rückgang der traditionellen Erdbestattung, sagt der Geschäftsführer des Bestatterverbandes NRW, Christian Jäger. In 20 Jahren sei der Anteil von 70 auf nur noch 25 bis 30 Prozent gesunken. Angehörige - wenn es sie überhaupt gibt - wohnten vielfach weit entfernt und hätten keine Gelegenheit, sich um die aufwendige Pflege von traditionellen Erdgräbern zu kümmern.

Nachhaltigkeit bei der Bestattung ist vielen wichtig

Nun kommt der zunehmende Fokus auf eine naturnahe Bestattung hinzu. Nach einer bundesweiten Forsa-Umfrage mit gut 1000 Teilnehmern im Auftrag der Verbraucher-Initiative Bestattungskultur aus dem Herbst vergangenen Jahres finden 60 Prozent der Deutschen das Thema Ökologie und Nachhaltigkeit bei der Bestattung wichtig oder sehr wichtig - 2016 waren es noch 54 Prozent.

Naturschutz funktioniert dabei auch im Kleinen - etwa mit Einladungen zur Beerdigung auf Naturpapier und mit dem Hinweis auf den ÖPNV, heißt es im Konzept „Grüne Linie“. „Ich beerdige die Toten aus Rücksicht auf die Natur auch, wenn es irgendwie geht, ohne Schuhe und nicht mit Nylonstrümpfen“, sagt Bestatter Kentrup.

Dabei sei der Wille des Toten aber im Zweifel wichtiger als der Umweltschutz, betont er. „Wenn ein Schalke-Fan unbedingt sein Trikot für die letzte Reise will, dann bekommt er es trotz Kunststoff“, sagt der Bestatter. „Und wenn ein Toter es sich dringend gewünscht hat, kriegt er notfalls auch eine Flasche Bier für den Weg mit ins Grab.“

© dpa-infocom, dpa:230609-99-995772/3

(dpa)
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