Muttermilchbörse: Frauen müssen Risiken in Kauf nehmen

Berlin (dpa/tmn) - Die erste private Muttermilchbörse ist an den Start gegangen. Frauen können dort von anderen Müttern Milch für ihr Baby ordern. Das System weist aber einige Lücken auf, bemängeln Experten.

Muttermilchbörse: Frauen müssen Risiken in Kauf nehmen
Foto: dpa

Das Prinzip funktioniert wie bei jeder Tauschbörse im Internet: Es soll Anbieter mit Käufern zusammenbringen. In diesem Fall milchsuchende mit milchanbietenden Müttern. Tanja Müller in Hamburg hat die erste private Muttermilchbörse gegründet. Unter www.muttermilch-boerse.de sollen Frauen die Möglichkeit haben, nach Muttermilch zu suchen oder ihre eigene anzubieten - beispielsweise, weil ihr Baby nicht genug trinkt.

Wollen Frauen ihr Baby mit der Milch einer anderen Mutter füttern, gehen sie damit aber eine Reihe von Risiken ein: „Milch ist eine Körperflüssigkeit, und da kann immer etwas drin sein, was nicht drin sein soll“, erklärt Prof. Klaus Vetter. Er ist Gynäkologe und Sprecher der Nationalen Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).

Der Milchaustausch über die Plattform funktioniere auf Vertrauensbasis. Niemand könne sicher sein, dass in der Milch keine unerwünschten Viren wie der HI-Virus oder ein Syphiliserreger enthalten sind. „Selbst wenn Frauen auf der Seite angeben, dass sie in der Schwangerschaft getestet wurden, bleibt ein Restrisiko“, sagt Prof. Vetter. Denn theoretisch könne sie sich ja seit der Geburt ihres Kindes angesteckt haben. Selbst wenn Frauen eine Kopie des Mutterpasses anforderten, seien sie nicht auf der sicheren Seite. Denn aus Datenschutzgründen dürfe der Arzt Krankheiten wie HIV dort gar nicht eintragen.

Unsicheren Müttern wird auf der Milchbörsenseite zwar empfohlen, die Milch beim Institut für Milchuntersuchung in Niedersachsen überprüfen zu lassen. Aber auch dann bleibe unklar, nach welchen Qualitätskriterien das Labor die Flüssigkeit untersucht.

Das Modell, Kinder mit fremder Milch aufzuziehen, ist nichts Neues: Früher übernahmen es Ammen, nach 1919 wurden die ersten Milchbanken gegründet. Heute existieren nur noch wenige Milchbanken, die meisten in Ostdeutschland. „Primär ist das nicht schlecht“, sagt Vetter. Aber es brauche ein ausgeklügeltes Prüfsystem, um die Sicherheit für Babys zu gewährleisten. Nicht zuletzt gehen auch die Mütter ein großes Risiko ein, die selbst abgepumpte Muttermilch zur Verfügung stellen: „Wenn dann später etwas passiert, werden sie vielleicht verklagt.“

Es bestehe ein großer Widerspruch, sein Kind einerseits bestmöglich versorgen zu wollen: Muttermilch enthalte viele Antikörper, die das Immunsystem des Babys stärken. „Das ist in Milchpulver nicht drin“, erklärt Prof. Vetter. Auf der anderen Seite sei das Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit bei vielen Eltern sehr hoch. Ob die Milchbörse deshalb großen Zulauf finden werde, bleibe abzuwarten.

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