Mit Demenz-Kranken leben

Eine neue Methode hilft Kindern, die ihre Eltern zuhause betreuen. Sie heißt „Validation.“

Düsseldorf. Immer mehr Demenzkranke werden zuhause gepflegt. Meist von ihren Angehörigen, die dabei oftmals an ihre Grenzen stoßen. Was tun, wenn der Ehemann unbedingt nach draußen will? Wenn sich die Mutter nachdrücklich gegen die morgendliche Wäsche wehrt? Oder wenn sich die Ehefrau nicht mehr an gemeinsame Zeiten erinnert und glaubt, von fremden Menschen umgeben zu sein? Für pflegende Angehörige tun sich bei solchen Erlebnissen oft Abgründe auf. Sie geraten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, verzweifeln und wissen oft nicht mehr, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Die eigene Ohnmacht führt verständlicherweise zu Aggressionen. Irgendwann widmet man sich nur noch den körperlichen Bedürfnissen des Erkrankten, um nicht selbst in seelische Erschöpfung zu geraten.

Für Angehörige ist ein solcher Zustand nur schwer zu bewältigen, hat man doch Jahre oder Jahrzehnte mit dem Kranken sein Leben auf die eine oder andere Weise geteilt. Nun ist die Verbindung plötzlich abgerissen, gut gemeinte Worte werden nicht mehr verstanden.

In der professionellen Betreuung von Demenzkranken gibt es verschiedene Formen nichtmedikamentöser Therapien wie Musiktherapien oder Biografiearbeit. Sie sollen dem Patienten dabei helfen, im Alltag selbstständiger zu bleiben, mehr Kontakte und Lebensfreude zu genießen und die Erinnerung an das eigene Leben zu pflegen. Ein relativ neues Konzept nennt sich "Integrative Validation". Entwickelt wurde es von der deutschen Gerontologin Nicole Richard. Bei dieser Methode wird versucht, in der Kommunikation mit Demenzkranken an die Stärken und Ressourcen anzuknüpfen, die trotz der Erkrankung noch lange lebendig bleiben.

Pflegende, die mit der so genannten Validation arbeiten, versuchen nicht, einen alten Menschen, der in seiner Orientierung eingeschränkt ist, zu ändern. Im Gegenteil, anstatt einen orientierungslos durch die Wohnung irrenden Demenzkranken über seinen Aufenthaltsort zu belehren, versucht man bei der Validation zunächst, die Angst und Panik des Patienten aufzugreifen, sie ernst zu nehmen und ihm zu zeigen, dass er nicht allein ist. "Validieren ist keine Arbeit, keine Methode im eigentlichen Sinne. Es ist vielmehr eine Grundhaltung, die spürbar beim anderen ankommt. Es ist eine Haltung der liebevollen Aufmerksamkeit", erklärt Pflegeberaterin Barbara Messer. Konkret geht es darum, einfühlsam und mit Empathie immer wieder Brücken in die Erlebniswelt des Kranken zu bauen. "Man geht quasi in den Schuhen des anderen, und schafft so Vertrauen und Sicherheit. Lösungen liegen immer in der Akzeptanz des Verhaltens", weiß Barbara Messer.

Dabei brauchen pflegende Angehörige vor allem eine gehörige Portion Toleranz und Geduld, und sie müssen sich auch ihrer eigenen Schamgefühle und vermeintlichen Tabuthemen bewusst werden. Denn Demenzkranke filtern oftmals ihre Gefühle nicht mehr. "Nehmen sie nicht jeden Wutausbruch persönlich. Lassen Sie Raum für Gefühle und geben sie den Kranken die Möglichkeit, diese zu äußern", rät die Pflegeberaterin. Was ungewöhnlich klingen mag, scheint in Pflegeeinrichtungen tatsächlich praktische Erfolge zu zeigen, denn viele Einrichtungen lassen ihre Mitarbeiter in dieser Methode ausbilden. Dabei geht es darum, die Lebensqualität der Demenzkranken zu erhöhen - ein Fortschreiten der physischen Erkrankung kann diese Therapie nicht verhindern.

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