Französisch lernen im Gleichtakt - Sprachtandemkurse für Kinder

Lauenburg (dpa/tmn) - Viele Eltern sehen es als Vorteil, wenn ihr Kind eine Fremdsrache beherrscht. Eine Möglichkeit, von Muttersprachlern zu lernen, ist das Sprachtandem. Es wird schon für Grundschüler angeboten.

Doch ist das sinnvoll?

Auf Französisch von seiner Lieblingsband erzählen. Nach dem Weg fragen. Oder über Fußballergebnisse diskutieren. Das alles kriegen die beiden Kinder von Eric Janssen aus Lauenburg in Schleswig-Holstein mühelos hin. Dabei hatten sie in der Schule zunächst kein Französisch gelernt. Der heute 11-jährige Marek und seine 16-jährige Schwester Karlotta haben vor ein paar Jahren an einem sogenannten Sprachtandemkurs teilgenommen. Die Idee dahinter: Kinder lernen von und mit gleichaltrigen Muttersprachlern. Marek war bei seinem ersten Kurs 6 Jahre alt - genauso wie das französische Mädchen, mit der er die ersten Wörter austauschte.

Eine Sprache von einem Muttersprachler zu lernen, könne deutliche Vorteile haben, sagt Kristin Kersten, Juniorprofessorin für Fremdsprachenunterricht und Zweitspracherwerb an der Universität Hildesheim. „Auch wenn ein Nichtmuttersprachler sehr gut spricht, kann er Probleme mit der Grammatik und vor allem mit der Wortwahl haben. Außerdem haben die wenigsten eine akzentfreie Aussprache“, sagt Kersten. Der Lernende übernimmt unter Umständen also diese Fehler. Der Muttersprachler hat neben korrekter Aussprache sogar noch etwas anderes zu bieten: „Er vermittelt eine kulturelle Authentizität.“ Was im Lehrbuch vielleicht konstruiert und abstrakt erscheint, wirkt im Austausch mit dem Muttersprachler lebendig.

Aber sind Kinder schon im Grundschulalter reif genug, um mit einem Tandempartner dessen Sprache lernen? „Das Gehirn kann damit umgehen, mehrere Sprachen zu lernen und ist darauf angelegt“, erklärt Kersten. Die Forschung gehe schon lange nicht mehr davon aus, dass man nach der Pubertät keine Fremdsprache mehr lernen könne. Dennoch gilt: Je früher, desto besser. „Schon im Alter von 11 bis 18 Monaten bilden Kinder Kategorien für fremdsprachliche Laute.“ Lernt der Mensch schon im Kindesalter eine neue Sprache, erreicht er eine höhere Kompetenz.

Das ideale Alter festzulegen, in dem Kinder Französisch, Spanisch oder Englisch lernen können, sei schwer. Zweifelsfrei sei dagegen: „Eine Fremdsprache wirkt sich meist nicht negativ auf die Muttersprache aus“, sagt Kersten. Kinder, die vielleicht noch unsicher beim Schreiben und der Grammatik in Deutsch sind, haben keine Nachteile, wenn sie zusätzlich auf eine Fremdsprache umschalten müssen. Im Gegenteil: „Studien zeigen, dass die Muttersprache sogar profitiert und dass neu gelernte Dinge in die andere Sprache übertragen werden können.“

Sara Mürset kennt die Vorteile eines Sprachtandems für Kinder aus erster Hand. Die 26-jährige Schweizerin studiert Fremdsprachdidaktik und leitet seit fünf Jahren einen Tandemkurs für das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW). Er ist auf zwei Wochen angelegt und findet eine Woche in Frankreich, die andere Zeit in Deutschland statt. Etwa 30 Kinder nehmen daran teil. Die Altersspanne zwischen acht und zwölf Jahren hält sie für ideal: „In dem Alter haben sie noch wenig Hemmungen und reden einfach drauflos, auch wenn sie fast nichts können.“ Mit der Pubertät steige dann das Schamgefühl. Der Nachteil bei Kindern: „Die schweigen sich auch einfach mal an, und keiner findet es peinlich.“

Lehrer wie Mürset sind dafür zuständig, dass es nicht zu zähen Pausen kommt. Sie überlegen sich praktische Übungen, schicken die Kinder auf eine Rallye durch die Stadt oder besuchen mit ihnen Theaterstücke. Am meisten lernten die Kinder aber dadurch voneinander, dass sie sich für zwei Wochen jeweils zu viert ein Zimmer teilen. „Da geht es dann um ganz konkrete Alltagssachen: Wie heißt es auf Französisch, dass der andere morgens leiser sein soll? Wie regelt man die Duschzeiten?“, erzählt Mürset. Die Kinder hätten ein reales Bedürfnis, sich in der Sprache des anderen ausdrücken zu können.

Wichtig sei, dass Kinder nicht das Gefühl bekommen, sie seien in der Schule. Deshalb werden beispielsweise keine Arbeitsblätter ausgefüllt oder Vokabeln abgefragt. Einen gewissen Rahmen müsse es aber geben: „Sie sind es nicht gewohnt, autonom zu arbeiten und das auch noch mit jemandem, der nicht die gleiche Sprache spricht.“ Dass Kinder sich wie Erwachsene mit einem Tandempartner nachmittags nach der Schule treffen, hält Mürset für unwahrscheinlich.

Der Sprachtandemkurs schafft einen ganz anderen Kontext: „Die Kinder wollen lernen. Sie sind motiviert, sind mit Gleichaltrigen zusammen und außerdem noch in einem anderen Land. Das ist für viele eine neue Erfahrung.“ Und auch, wenn zwei Wochen sehr wenig klingen: „Es ist erstaunlich, wie viel die Kinder da mitnehmen“, sagt Mürset. Natürlich sei es utopisch, zu glauben, dass sie sich danach perfekt zweisprachig unterhalten können.

Aber ein Sprachtandemkurs kann einen wichtigen Grundstein legen: das Interesse an einer neuen Sprache wecken. So funktionierte es zumindest bei den Kindern von Eric Janssen: „Die beiden sind gleich danach noch mal mitgefahren“, erzählt er. Beide wählten später Französisch in der Schule, seine Tochter fuhr sogar alleine ein paar Mal zu einer Freundin nach Frankreich.

Interessieren sich Kinder für ein Sprachtandem, rät Janssen anderen Eltern, möglichst ehrlich mit Sohn oder Tochter darüber zu sprechen: „Sagen Sie nicht, "Da könnt ihr den ganzen Tag spielen".“ Es müsse ihnen klar sein, dass es trotz Klassenfahrtatmosphäre um einen Sprachkurs gehe. Dem Spaß müsse das keinen Abbruch tun: „Meine Kinder haben die zwei Wochen Tandemkurs trotzdem unter Ferien abgespeichert.“

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