Experte: „Schwangerschaft auf Probe“ belastet enorm

Lübeck (dpa/tmn) - Sollen Gentests an Embryos aus dem Reagenzglas erlaubt sein? Diese Gewissensfrage um die Präimplantationsdiagnostik beantwortet ein Experte mit einem Ja: Für Paare mit Kinderwunsch sei es eine Bürde, wenn sie um tödliche Erbkrankheiten in ihrer Familie wüssten.

Die Schwangerschaft werde dann von der Ungewissheit begleitet, dem Kind die Krankheit vererben zu können. In einigen Fällen sterben die Föten schon während der Schwangerschaft ab, in anderen werden Kinder nicht älter als ein Jahr. „Das ist ein schwerwiegendes Ereignis, das die ganze Familie berührt“, sagt der Reproduktionsmediziner Prof. Klaus Diedrich, Direktor der Universitätsfrauenklinik Lübeck.

Um genetische Defekte des Kindes im Voraus zu erkennen, bleibe Paaren bislang nur eine „Schwangerschaft auf Probe“, erklärt Diedrich, der auch Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist. Hierbei kann erst im Verlauf der Schwangerschaft mittels einer Fruchtwasseruntersuchung festgestellt werden, ob das Kind das krankmachende Gen in sich trägt. Frauen haben dann die Möglichkeit, sich für eine späte Abtreibung zu entscheiden. Das ist für Frauen aber sehr belastend. „Die Bindung an ein Kind, das sich schon im Mutterleib bewegt, ist eine andere als an einen Embryo im Reagenzglas.“ Es sei für Paare das „schlimmste Ereignis“, sich erst kurz vor der Geburt gegen das Kind zu entscheiden. Paaren als Außenstehender mit auf den Weg zu geben „Man muss Krankheit annehmen können“, sei leicht gesagt.

Diedrich befürwortet deshalb die Präimplantationsdiagnostik (PID). Mit dieser Behandlung sollen betroffenen Paaren aussichtslose Schwangerschaften erspart werden. Bei der PID werden Embryonen nach einer künstlichen Befruchtung auf genetisch bedingte Krankheiten untersucht. Die gesunden Embryonen pflanzen die Ärzte der Frau ein, die defekten lassen sie absterben. Am heutigen Donnerstag entscheiden die Abgeordneten im Bundestag darüber, ob die PID in Deutschland zugelassen werden soll.

Natürlich sind auch die künstliche Befruchtung und die anschließende Selektion gesunder Embryonen für Paare belastend. „Deshalb muss es ausführliche Beratungsgespräche geben. Man lässt nicht mal eben eine PID machen“, erklärt Diedrich. Paare müssten sich zum Beispiel darüber Gedanken machen, was mit den übrig gebliebenen Embryonen passieren soll, die nicht in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Im Schnitt sind sieben Embryonen nötig, um mindestens zwei unbelastete einpflanzen zu können. Die übrigen werden in der Regel vernichtet.

Eine Garantie auf ein gesundes Kind bekommen Paare mit der PID aber nicht. Das Risiko, eine andere Fehlbildung als die untersuchte zu bekommen, sei genauso groß wie ohne PID. Und auch die Chance, durch eine In-Vitro-Befruchtung schwanger zu werden, ist begrenzt: „Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 22 Prozent pro Behandlungszyklus“, erklärt Diedrich. Das entspricht der Wahrscheinlichkeit bei einer natürlichen Empfängnis.

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