Entscheidungen treffen: Mit Kopf oder Bauch?

Berlin (dpa) - Was ist die richtige Wahl? Diese Frage stellt man sich beruflich wie privat mehrmals am Tag. Doch was führt letztlich zu einer Entscheidung - eine rationale Überlegung oder das Bauchgefühl?

Forscher kennen die Antwort.

Firmenmanager tun es täglich und Familienmanager vor der riesigen Joghurt-Auswahl im Kühlregal ebenso - Entscheidungen treffen. Rein rationale Überlegungen, so betonten Forscher, sind es zumindest nicht, die letztlich zu den Entscheidungen führen. „Das Modell des 'Homo oeconomicus' muss erweitert werden“, ist Prof. Armin Falk, Volkswirtschaftler an der Universität Bonn, überzeugt. Ökonomen, Verhaltens- und Hirnforscher versuchten auf dem 15. Kolloquium der Daimler-Benz-Stiftung gemeinsam, auch die emotionalen, sozialen und biologischen Faktoren menschlicher Entscheidungen zu bestimmen.

Denn das Modell des rein zweckrational und eigennützig handelnden Menschen reicht nicht aus, wenn die Verhaltensperspektive außen vor bleibt, sagen die Forscher. Und diese Verhaltensfaktoren, die die Entscheidung mitmodellieren, sind zahlreich: Falk und sein Team etwa untersuchten die persönliche Bereitschaft, ein Risiko einzugehen. Dazu ließen unter anderem 450 Probanden im Labor Risikotests absolvieren und verglichen die Ergebnisse mit anderen Daten. Es zeigte sich, dass die Unterschiede in der Risikobereitschaft systematisch mit Geschlecht, Alter, Körpergröße, Risikobereitschaft der Eltern und deren Bildungsstand in Zusammenhang standen.

Sprich: Frauen wagten tendenziell weniger als Männer, Ältere weniger als Jüngere, Kleine weniger als Großgewachsene. Auch scheinen die Eltern ihr Level der Risikobereitschaft an die Kinder weiterzugeben. „Daraus kann man schließen, dass eine Grundhaltung wie Risikobereitschaft innerhalb einer Familie wahrscheinlich über Generationen hinweg stabil bleiben kann, unabhängig davon, ob sich die Rahmenbedingungen ändern“, schließt Falk.

Aber auch die unterschiedliche Geduld ist wichtig. „Das Maß an Geduld, das jemand aufbringt, gilt als persönliche Eigenschaft eines Menschen, die er nicht beeinflussen kann, die aber seine Entscheidungen prägt“, sagt Prof. Uwe Sunde vom Schweizerischen Institut für Empirische Wirtschaftsforschung in St. Gallen. Ungeduldige essen den begehrten Apfel lieber heute als morgen, sie können die Befriedigung von Bedürfnissen schlechter aufschieben - selbst wenn das für sie in der Zukunft negative Folgen hat. Hier habe die Politik echte Spielräume: „Mit Maßnahmen und Anreizen kann sie Menschen dazu verhelfen, im richtigen Moment eine für sie langfristig vorteilhafte Entscheidung zu treffen, etwa bei der Altersvorsorge“, sagt Sunde.

Auch ein Blick ins Hirn gibt Hinweise für individuelle Antriebsfedern, denn dort zeigt sich, wie das körpereigene Belohnungssystem arbeitet: Prof. Bernd Weber von der Universität Bonn untersuchte dazu Probanden im Kernspintomographen, die in einem Gewinnspiel gegeneinander antraten. Das Ergebnis: Nicht die absolute Höhe des Gewinns, sondern der Vergleich mit dem Gegenspieler kurbelte das Belohnungssystem an und war ausschlaggebend für den Grad der persönlichen Zufriedenheit. Auch in Verhandlungssituationen dürfte diese Relation zum Kontrahenten einfließen.

Ebenfalls empirisch belegt: Die meisten entscheiden sich besonders gerne, indem sie sich nicht entscheiden. „Wir wählen bei einem Produkt das vorgeschlagene Ausstattungspaket oder befolgen Standardeinstellungen bei Computerprogrammen“, berichtet Steffen Altmann vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Dabei sind die Wirkungen solcher nicht-bindender Regelungen, Defaults genannt, höchst weitreichend.

Bestes Beispiel ist die Organspende. Generell ist die Spendebereitschaft in den Staaten Europas gleich hoch. Doch liegt die tatsächliche Spenderquote in Ländern, in denen aktiv Widerspruch dagegen eingelegt werden muss, um 70 Prozent höher als in Ländern, in denen man aktiv seine Bereitschaft zur erklären muss. Die „Voreinstellung“ setzt sich also durch. Gut gewählte Defaults könnten somit dazu beitragen, Entscheidungen zu verbessern, ohne die Wahlfreiheit des Einzelnen zu beschneiden - auch Politik und Gesellschaft würden profitieren, meinen die Forscher.

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