Elternstress gefährdet Gesundheit der Kinder

Gereiztheit oder Unwohlsein sind oft die Folgen eines wenig entspannten Familienalltags.

Berlin. In einer perfekten Welt wäre es so: Eltern bieten ihren Kindern ein festes Gerüst schöner Gewohnheiten, bewegen sich reichlich mit ihnen, haben regelmäßig Familienzeit, aber auch Zeit mit dem Partner und für sich. Die Familienstudie 2014 der Krankenkasse AOK zeigt aber, was die meisten der acht Millionen Eltern minderjähriger Kinder ohnehin wissen: Die Welt ist nicht immer ideal. Was vielen vielleicht nicht so klar war: Stress, Partnerprobleme und fehlende Rituale können direkt zu Gesundheitsproblemen bei den Kindern beitragen.

Jeweils mehr als eine halbe Stunde lang befragt wurden 1503 Menschen mit mindestens einem Kind. Drei von vier Befragten waren dabei Frauen. Ein Ergebnis: Familie macht anscheinend viele glücklich. 70 Prozent der Eltern in Paarfamilien sagen, sie fühlten sich gut oder sehr gut. 95 Prozent sind zufrieden. „Zufriedene Eltern sind auch gesünder“, sagt die Hamburger Gesundheitspsychologin Ulrike Ravens-Sieberer.

Und Eltern, die mit ihrem Familienleben zufrieden sind, haben nur zu 19 Prozent Kinder mit Gesundheitsproblemen — aber 35 Prozent der unzufriedenen Eltern. Schöne Momente gibt es bei rund 80 Prozent oft bei gemeinsamen Mahlzeiten und Gesprächen mit dem Kind — und bei zwei Dritteln oder mehr bei gemeinsamen Ausflügen, beim Vorlesen oder Spielen.

Immerhin 45 Prozent der Befragten geben an, gemeinsam mit den Kindern Essen zu machen. Neun von zehn Eltern sagen, die Zeit der Kinder vor Fernseher oder Computer zu begrenzen. Zwei Drittel meinen, sie seien über die Mediennutzung ihres Kindes voll im Bild.

Dennoch: Jedes fünfte Kind hat regelmäßig zwei oder mehr der folgenden Symptome: Gereiztheit, Einschlafstörungen, Nervosität, Bauch-, Kopf- oder Rückenschmerzen, Unwohlsein oder Schwindel. Woran liegt das? Die Studienautoren können keine systematische Ursachenanalyse liefern. Sozialschwächere sollen stärker betroffen sein. Viele Alleinerziehende sind wenig zufrieden. Bei fast der Hälfte der Eltern ist Stress zur echten Belastung geworden. „Das hängt unmittelbar damit zusammen, dass es schwierig ist, den Familienalltag so zu organisieren, dass man Beruf und Familie, aber auch den „Freizeitstress zusammenbekommt“, sagt AOK-Chef Jürgen Graalmann.

Warum auch immer — viele Eltern machen laut der neuen Befragung sehr wenig gemeinsam mit ihren Kindern. Zwölf Prozent geben zu, dass sie mit ihren Kindern überhaupt keine schönen Rituale entwickelt oder feste Regeln vereinbart hätten. Mehr als jeder zehnte geht höchstens einmal im Monat mit seinem Kind spazieren, fährt mit ihm zusammen Rad oder bewegt sich anders. Für Kinder aber, die in der einen oder anderen Weise vernachlässigt werden, eröffnet sich kaum eine perfekte Welt.

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