Beratung statt Billard: Jugendcafés können Teenagern helfen

Bayreuth (dpa/tmn) - Ob Probleme in der Familie, in der Schule oder bei der Ausbildung: Jugendliche in schwierigen Lebenslagen haben Unterstützung besonders nötig. Ein offenes Ohr haben unter anderem Jugendzentren, Schulsozialarbeiter - und sogar das Jugendamt.

Um die Schule kümmerte er sich lange Zeit nicht viel. Erkut war ganz versessen auf seinen Sport und verbrachte einen großen Teil seiner Freizeit mit Tischtennis- oder Billardspielen in einem Jugendcafé. Doch dann wurden seine Noten immer schlechter, und auch private und familiäre Probleme ließen nicht lange auf sich warten. Hilfe fand der 18-Jährige schließlich beim Leiter jenes Jugendcafés, zu dem er im Laufe der Zeit schon einen guten Kontakt bekommen hatte.

„Er hat mir die Augen geöffnet, und wir haben viele Stunden mit Lernen und Prüfungsvorbereitung verbracht. Ohne ihn hätte ich das alles nicht geschafft“, erzählt Erkut. So wie ihm geht es vielen jungen Menschen, die aufgrund ihres familiären und sozialen Umfelds oder ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt sind. Jugendcafés oder Jugendzentren, die in freier, kirchlicher oder kommunaler Trägerschaft stehen, sind für sie häufig die ersten Anlaufstellen. Hier können sie nicht nur gemeinsam mit ihren Freunden einen Teil ihrer Freizeit verbringen, sondern finden bei den Erziehern oder Sozialarbeitern ein Hilfsangebot bei Problemen in der Schule, zu Hause oder in der Ausbildung.

Wie wichtig hierbei der Beziehungsaufbau und das Vertrauen zu den Mitarbeitern ist, weiß Thomas Garbe, Leiter des Jugendcafés „Babylon“ in Bayreuth. Das Café wird von der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde der Stadt finanziert. „Wir fragen die Jugendlichen zum Beispiel oft, wie ihr Tag war oder wie es in der Schule läuft“, sagt Garbe. Das seien Fragen, die Eltern aus Zeitmangel gar nicht mehr stellten.

Häufig sind es gerade diese Gespräche zwischen Tür und Angel, die den Jugendlichen Mut machen, sich von den Mitarbeitern helfen und beraten zu lassen. „Ich lerne mit ihnen, helfe beim Bewerbungen schreiben, vermittle ein Gespräch mit dem Schulsozialarbeiter oder begleite sie in schwierigeren Fällen auch einmal zu den Eltern oder aufs Jugendamt“, erzählt Garbe.

Für den Verantwortlichen des „Babylons“, den stellvertretenden Dekan Pfarrer Christian Aschoff, leistet diese Form der Jugendarbeit einen Beitrag zur sozialen Integration. „Wir wollen diesen Jugendlichen helfen, ihre Chancen zu ergreifen und eine gute Perspektive für ihr Leben und ihre berufliche Zukunft zu finden“, erklärt Aschoff.

Unterstützung bekommen Jugendliche aber nicht nur in Jugendcafés oder Jugendzentren, sondern auch bei den Schulsozialarbeitern. „Unsere Angebote richten sich an alle Kinder und Jugendliche“, sagt Karsten Speck, Professor an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg.

Die Schulsozialarbeiter bieten nicht nur Gruppenarbeiten an, sondern helfen den Jugendlichen bei persönlichen oder schulischen Problemen. Außerdem sind sie eng mit externen Einrichtungen wie Beratungsstellen und dem Jugendamt vernetzt. In Notsituationen können sie Jugendliche zum Beispiel in einer Wohngruppe unterbringen. „Ein Gespräch mit dem Schulsozialarbeiter ist ein Angebot, das frühzeitig greift“, sagt Speck. „Und es unterliegt der Schweigepflicht.“

Doch neben Sozialarbeitern und Schulpsychologen können Jugendliche sich auch an Beratungsstellen, wie zum Beispiel bei der Diakonie und der Caritas, Online-Beratungsangebote oder aber die Jugendämter wenden. Viel zu wenig sei bekannt, dass Jugendämter nicht nur für eine Unterbringung außerhalb der Familie sorgen, sondern in erster Linie für die Beratung da sind. „Viele benachteiligte Familien wissen gar nicht, was Jugendhilfe eigentlich ist und welche Anlaufstellen es gibt“, sagt Anna Breitruck, Psychotherapeutin in der Waldhaus-Jugendhilfe Hildrizhausen.

Jugendlichen, die Hilfe suchen, empfiehlt sie, in kleinen Schritten vorzugehen. Wem können sie sich anvertrauen, wen können sie einschätzen? Dieser erste Schritt ist für Erkut und die meisten anderen tatsächlich der Besuch eines Jugendzentrums. Erkut jedenfalls hat es geschafft: Er hat erkannt, was für ihn das Wichtigste ist, hat mittlerweile die Schule abgeschlossen und eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker begonnen.

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