Ernährung: Placebos aus dem Kühlregal

Teure Spezial-Getränke sollen die Abwehrkräfte stärken. Dabei können sie nicht mehr als normale Produkte.

Düsseldorf. Sie regeln die Verdauung, stärken die Abwehrkräfte und können sogar den Appetit zügeln. Glaubt man der Werbung, stehen die Supermarkt-Kühlregale voller Zaubertränke, die uns fit machen. Doch halten die teuren Mittelchen, was sie versprechen? Tatsächlich Magie oder nur fauler Zauber? Ernährungswissenschaftlerin Irina Baumbach von der Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention ist skeptisch gegenüber funktionalen Getränken wie Yakult, Optiwell Control oder Actimel.

"Dass probiotische Milchprodukte die Verdauung regulieren können, ist wissenschaftlich nicht erwiesen", sagt Baumbach. Die Geld-zurück-Garantie, die einige Anbieter geben, sei nur ein Köder. "Kein Kunde kann nachweisen, ob sich die Verdauung durch das Produkt verbessert hat oder nicht."

Zwar könnten Probiotika sich positiv auf die Darmflora auswirken, eine Garantie dafür gebe es aber nicht. Zudem entstünden in jedem vergorenen Milchprodukt natürliche Probiotika - also auch in herkömmlichem Quark, in Kefir, Buttermilch oder Joghurt. "Als probiotisch deklarierte Lebensmittel sind noch zusätzlich künstlich mit Milchsäurebakterien angereichert", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Diese gelangten aber meist gar nicht erst in den Verdauungstrakt. "Es ist vollkommen sinnlos, Bakterien zuzusetzen", sagt Baumbach. Buttermilch hat demnach denselben Effekt.

Genauso wenig ist eine Stärkung des Immunsystems durch den regelmäßigen Konsum von Yakult und Co. nachweisbar. Kalzium und Vitamin B könnten die Abwehrkräfte stärken, so Baumbach. Diese Inhaltsstoffe sind aber auch in gewöhnlichem Joghurt enthalten. Auch dabei gilt: Zugesetzte Vitamine haben keine zusätzliche Wirkung.

Inzwischen hat auch der Abnehm-Boom den Markt der künstlich geschaffenen Zaubertränke erreicht. Milchprodukte wie Optiwell Control sollen helfen, schneller satt zu werden und dadurch das Gewicht leichter kontrollierbar zu machen. "Das ist Schwachsinn und reine Verbrauchertäuschung", sagt Baumbach. Studien hätten keine Erfolge nachgewiesen. "Proteine sind die Energielieferanten, die den größten Sättigungseffekt haben." Aber die teuren Spezial-Getränke machten nicht satter als gewöhnliche Milchprodukte.

Die Werbewirtschaft schreibt funktionalen Lebensmitteln Wirkungen zu, die sie nicht haben. Trotzdem sagt Ernährungswissenschaftlerin Irina Baumbach: "Bei manchen Menschen wirken die Produkte. Ich bin zwar sicher, dass das nur ein Placebo-Effekt ist, aber selbst dann ist es ein guter Effekt." Wem die vermeintlichen Zaubertränke das Geld wert sind, der soll sie ruhig kaufen. "Negative Wirkungen haben sie jedenfalls nicht."

Trend "Functional Food" - funktionale Lebensmittel - nennt man Lebensmittel, die künstlich mit Vitaminen, Mineralstoffen oder mit besonderen Bakterienstämmen aufgepeppt werden. Der Trend kommt aus Japan und findet in allen Industrieländern großen Anklang.

Probiotika "Pro bios" - kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie: "für das Leben". Probiotika sind lebende Milchsäurebakterien. Laut Milchprodukteherstellern sollen sie die Darmflora positiv beeinflussen und das Immunsystem stärken. Diese Wirkung ist wissenschaftlich aber nicht bewiesen.

Obst- und Gemüsesäfte Spezial-Säfte wie Fruit2Day sollen die tägliche Ration Obst ersetzen. Können sie das leisten? "Bei vielen solcher Säfte ist Zucker oder Süßstoff zugesetzt, um sie haltbarer zu machen", sagt Ernährungswissenschaftlerin Irina Baumbach. Sie rät von künstlich zusammengesetzten Säften ab und empfiehlt natürliche Obst- oder Gemüsesäfte ohne Zusatzstoffe wie Zucker oder Vitamine. Sie sind genauso gesund wie frisches Obst und Gemüse. "Allerdings machen sie nicht so satt."

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