Ernährung: Ist die Frischmilch wirklich frisch?

Schon aufgefallen? Die Milch ist immer länger haltbar. Wie die Milchwirtschaft das macht, erklären wir hier.

Düsseldorf. Haben Sie sich eigentlich schon mal gefragt, warum Ihre Frischmilch länger hält als üblich? Wenn nicht, dann gehören Sie zu den Kunden, die den Wechsel in den Kühlregalen sämtlicher Supermärkte noch gar nicht bemerkt haben.

Tatsächlich ist die sogenannte ESL-Milch bereits seit etwa zwölf Jahren im Handel. Zwar gibt es noch richtige Frischmilch zu kaufen, allerdings verschwinde die herkömmliche Ware laut der Verbraucherzentrale NRW zunehmend aus den Regalen. Wir fassen die wichtigsten Antworten zur ESL-Milch zusammen.

ESL steht für Extended Shelf Life und bedeutet eine verlängerte Haltbarkeit der Milch bis zu drei Wochen.

Damit Milch haltbar bleibt, muss ihr Keimgehalt in den ersten beiden Tagen durch Erhitzen reduziert werden. Dazu wird sie pasteurisiert, das heißt für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad erhitzt. Die Methode wurde von dem französischen Arzt Louis Pasteur entwickelt. Die lange Lebensdauer der H-Milch entsteht durch kurzes Erhitzen bei mindestens 135 Grad. Pasteurisierte Milch ist im Gegensatz zur H-Milch nur gekühlt haltbar.

Um Milch länger haltbar zu machen, wurden unterschiedliche Pasteurisierungsverfahren verfeinert. In einem Verfahren wird die Milch kurz für wenige Sekunden auf bis zu 127 Grad erhitzt. Die reduzierte Hitzebelastung soll den "Frischecharakter" der Milch bewahren. Der Nachteil ist jedoch ein leichter Kochgeschmack. Bei der zweiten Methode sieben die Molkereien mit mikrofeinen Filtern die Bakterien vor der Erhitzung aus, Anschließend wird die Milch - wie bei Frischmilch üblich - pasteurisiert. Mit dieser Methode bleibt der frische Milchgeschmack erhalten.

Während bei der Frischmilch durch das kurze Erhitzen alle Vitamine nahezu völlig erhalten bleiben, ist es bei der ESL-Milch umstritten. "Es gibt keine Daten, weil die Technologien zu unterschiedlich sind", sagt Klaus Pabst vom Max-Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. "Der Verlust der Inhaltsstoffe liegt bei der Frischmilch bei rund fünf und bei der H-Milch bei etwa 20 Prozent. Wir gehen davon aus, dass die ESL-Milch mit rund zehn Prozent dazwischen liegt."

Den Vitaminverlust wertet Pabst aber als nicht bedeutend ein, da der Vitaminbedarf durch andere Lebensmittel gedeckt werde. Die Versorgung mit Kalzium wird laut Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nicht gefährdet: "Das enthaltene Kalzium geht durch die Erhitzung nicht verloren."

Noch ist eine eindeutige Kennzeichnung nicht vorhanden. Auf den veränderten Tüten oder Flaschen stehen lediglich die Zusätze "länger frisch", "maxifrisch" oder "extra langer Frischegenuss". Welches Verfahren angewandt wurde, wird nicht genannt.

Doch das soll sich künftig ändern. So soll die klassische Frischmilch den Zusatz "traditionell hergestellt" erhalten, während die bis zu drei Wochen haltbare ESL-Milch als "länger haltbar" gekennzeichnet wird. Das vereinbarte vergangene Woche das Bundesverbraucherministerium mit den Molkereien und dem Einzelhandel.

Die Milchindustrie gab dazu eine Selbstverpflichtung ab. Sollte diese nur unzureichend umgesetzt werden, schließt das Ministerium die Einführung einer nationalen Verordnung nicht aus, womit die Kennzeichnung dann verpflichtend wäre. Nach einem Jahr Praxis soll die Regelung überprüft werden.

Verbraucherschützer hatten eine bessere Kennzeichnung gefordert und begrüßen nun die neue Regelung. "Kunden sollen wissen, mit welcher Methode die Milch haltbar gemacht wurde und sollen am Kühlregal eine für sie richtige Wahl treffen können", sagt Ulrike Brunswicker-Hoffmann, Leiterin der Düsseldorfer Beratungsstelle der Verbraucherzentrale NRW. Immerhin verändert sich je nach Verfahren der Frische-Geschmack - ein Kriterium, das für den Kauf entscheidend ist.

Mit den beiden Haltbarkeitsverfahren reagieren die Molkereien auf den Wunsch des Handels und somit vieler Verbraucher nach länger haltbaren Milchprodukten. So ist der Verbrauch von pasteurisierter Milch in den vergangenen fünf Jahren bei gleichzeitig steigendem Konsum von H-Milch deutlich zurückgegangen.

Die ESL-Milch hat - je nach Verarbeitungsverfahren - die Vorteile von Frischmilch, ist aber länger haltbar. "Diesem Convenience-Bedarf der Verbraucher kommen die Molkereien entgegen", sagt Klaus Pabst vom Max-Rubner-Institut.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort