Wie werde ich...? Dolmetscher

Chemnitz (dpa/tmn) - Sie übersetzen für Staatschefs oder Topmanager - Angst vor großen Tieren dürfen Dolmetscher nicht haben. Neben einem sicheren Auftritt brauchen sie Körperbeherrschung. Während einer Konferenz aufs Klo - das ist oft nicht drin.

Wie werde ich...? Dolmetscher
Foto: dpa

Das Schlimmste sind Witze, sagt Dana Gaidas. Ein ausgefeilter Gag, ein feinsinniger Scherz, vielleicht sogar ein Wortspiel. „Für uns sind das Schrecksekunden.“ Gaidas, 27 Jahre alt, ist Dolmetscherin in Chemnitz. Sie übersetzt Reden, Gespräche und Vorträge in andere Sprachen. Nicht auf dem Papier, sondern sofort, spontan und idealerweise mit sicherer Stimme. Erst vor wenigen Monaten hat sie ihren Master im Konferenzdolmetschen gemacht.

Dolmetscher arbeiten etwa bei Staatsbesuchen oder Gerichtsverfahren und unterstützen Verhandlungen in der Wirtschaft. Sie leihen Politikern und Prominenten für das Fernsehen ihre Stimme und sind bei internationalen Konferenzen im Einsatz.

Weil Dolmetscher keine geschützte Berufsbezeichnung ist, gibt es viele Quereinsteiger und Autodidakten. In manchen Bundesländern ist eine Ausbildung an Berufsfachschulen oder -akademien möglich. „Klassischerweise braucht es aber einen akademischen Abschluss“, sagt Norma Keßler, Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ).

Aufbauend auf einen Bachelor, zum Beispiel in internationaler Fachkommunikation, bieten mehrere Hochschulen Masterstudiengänge zum Konferenzdolmetscher an. Anders als ein Übersetzer überträgt der Dolmetscher nicht das geschriebene, sondern das gesprochene Wort.

Ob simultan, konsekutiv - erst spricht der Redner, dann der Dolmetscher - oder flüsternd hinter einer Person: Dolmetscher müssen stets einen klaren Kopf behalten. Mal schnell ins Wörterbuch schauen während eines Vortrags geht nicht.

Englisch als Fremdsprache ist immer gefragt. An Hochschulen können angehende Fachkräfte jedoch auch viele andere Sprachen lernen - zum Beispiel Spanisch, Französisch, Russisch und zunehmend Chinesisch.

Eine Fremdsprache zu lernen, ist jedoch nur ein erster Schritt. „Zweisprachigkeit befähigt noch lange nicht zum Dolmetscher“, erklärt Isabel Schwagereit vom Fachverband der Berufsübersetzer und Berufsdolmetscher (Aticom).

Immer wieder gibt es Anspielungen, Provokationen, Feinheiten, Dinge, die hier anders sind als dort, die zwischen den Zeilen mitschwingen und verschluckt oder missverstanden werden können. „Besonders vor Gericht haben Dolmetscher eine große Verantwortung“, erklärt Schwagereit. Das sei etwa der Fall, wenn der Angeklagte aus einem anderen Justizsystem kommt und mit den deutschen Begriffen nichts anfangen kann.

„Das Wichtigste ist, geistig wendig zu sein“, betont Schwagereit. Dolmetschen ist Multitasking auf hohem Niveau und auch körperlich anstrengend. Wer in dem Beruf gut sein möchte, braucht eine gute Allgemeinbildung, ein exzellentes Gedächtnis und ein sicheres Auftreten. Nicht zuletzt ist Körperbeherrschung gefragt: Ein Dolmetscher kann nicht zwischendurch auf Toilette gehen.

Festanstellungen gibt es nur wenige, bei der Europäischen Union, bei internationalen Behörden oder den Ministerien. Die meisten Dolmetscher arbeiten auf dem freien Markt. „Der Einstieg ist nicht immer einfach“, sagt Norma Keßler. „Man sollte sich auf einzelne Gebiete spezialisieren und auch unternehmerisches Gespür mitbringen.“ Ohne Verkaufen geht es nicht. Hat man sich auf dem Markt erst einmal durchgesetzt, ist die Bezahlung gut. Der Tagessatz eines Konferenzdolmetschers kann bei 750 bis 1000 Euro liegen.

Allem Stress zum Trotz lieben die meisten Dolmetscher ihren Beruf. „Das Schönste ist, dass es nie langweilig wird“, erzählt Gaidas. „Ich lerne immer wieder Neues, treffe die unterschiedlichsten Menschen. Und ich kann Kommunikation ermöglichen, wo sich zwei Seiten sonst nicht verstanden hätten.“

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