Von wegen Assistentin! - Chemie wirbt um Forscherfrauen

Paris/Berlin (dpa) - Die Vereinten Nationen haben 2011 zum „Internationalen Jahr der Chemie“ ausgerufen. Im Zentrum stehen dabei die Frauen - jene, die Bedeutendes für die Chemie geleistet haben und doch oft unbekannt sind.

Und jene, die heute als Nachwuchs umworben werden.

Nennen Sie eine bedeutende Chemikerin! Diese Frage bringt Sie ins Grübeln? Kein Wunder: Wissenschaftlerinnen standen in den vergangenen Jahrhunderten stets im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Noch heute sind Professorinnen in der Chemie unterrepräsentiert, und die Naturwissenschaften gelten vielen - egal ob Jugendlichen oder Erwachsenen - als Männerdomäne.

Das heißt aber nicht, dass Frauen in der Wissenschaft weniger wichtige Erkenntnisse liefern - sie stehen einfach weniger im Rampenlicht. Am 27. und 28. Januar eröffnen die Vereinten Nationen in Paris das Internationale Jahr der Chemie 2011. Sie wollen dabei besonders die Leistungen der Frauen würdigen - und zugleich Nachwuchs für die Wissenschaft gewinnen.

Doch um junge Menschen für Naturwissenschaften zu begeistern, braucht es vor allem eins: Vorbilder. Daher ist es kein Zufall, dass die Vereinten Nationen gerade 2011 für das Internationale Jahr der Chemie auserkoren haben: Vor genau 100 Jahren erhielt Marie Curie als erste Frau den Chemienobelpreis, für die Entdeckung der radioaktiven Elemente Radium und Polonium. Es war bereits ihr zweiter Nobelpreis, nach der Auszeichnung für Physik 1903. „Dr. Curies Errungenschaften inspirieren auch weiterhin Studenten und besonders Frauen, eine Laufbahn in der Chemie einzuschlagen“, heißt es auf der offiziellen Website des Chemiejahrs.

Dennoch werden auch heute werden die Naturwissenschaften eher mit Männern assoziiert, wie ein internationales Forscherteam im Jahr 2009 bei einer Online-Umfrage mit über 500 000 Teilnehmern aus 34 Ländern herausgefunden hat. „70 Prozent aller Männer und Frauen tendieren dazu, Männer eher mit Naturwissenschaften und Frauen mit freien Künsten zu assoziieren“, schreiben die Forscher in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften („PNAS“).

Deutsche Gymnasiastinnen wollen Sprachen oder Kunst studieren, Rechtsanwältin werden oder Ärztin. Chemie studieren? Eher nicht: „70 Prozent der von uns befragten Gymnasiastinnen haben sich ein Jahr vor dem Abitur absolut gegen die Technik- und Naturwissenschaftsberufe entschieden“, sagt Marion Esch von der Technischen Universität (TU) Berlin, Leiterin des Projekts „Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften und Chancengleichheit im Fiction-Format“ (MINTiFF). „Wir haben die Jugendlichen dann gefragt, wie viel sie über diese Berufe wissen. Die Antwort: Nichts.“

„Das Problem der klassischen Formate der Wissenschaftskommunikation ist, dass sie in der Regel genau die ansprechen, die schon interessiert sind“, erläutert Esch. „Die 70 Prozent, die von Anfang an sagen: "Das ist nicht meins", sind damit nicht zu erreichen.“

Ärztinnen und Rechtsanwältinnen wirken auf die jungen Leute „sexy“, Naturwissenschaftlerinnen genießen ein eher schlechtes Image: „Frauen mit diesen Berufen gelten eher als uncool und nicht in dem Sinne weiblich sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen“, erläutert Jennifer Grosche von der TU Berlin. Dass dies so ist, hängt auch mit dem zusammen, was die Jugendlichen jeden Tag im Fernsehen sehen, glauben die Medienwissenschaftler. 23 Prozent aller Jugendlichen gaben beispielsweise an, über Fernsehserien auf ihren Traumberuf aufmerksam geworden zu sein. Und in Fernsehserien sind Naturwissenschaftlerinnen nun mal Mangelware. TV-Vorbilder für diese Berufe fehlen.

Vor allem Mädchen brauchen jedoch Vorbilder, sagt Esch: „Nehmen Sie die Krimiserien: Seitdem die Kommissarinnen vermehrt auf dem Bildschirm sind, haben sich sehr viele junge Leute auf den Weg in diesen Beruf gemacht, der ehemals auch eine Männerdomäne war.“ Je weniger reale Vorbilder es im Umfeld der Mädchen gebe, desto wichtiger würden die Fernsehvorbilder.

„Die TV-Serien müssen aber auch zeigen, dass die Frauen, die einen solchen Beruf ausüben, auch als Frauen akzeptiert werden und nicht zu asexuellen Wesen mutieren. Das ist bei der Schilderung von Wissenschaftlerinnen leider oft der Fall“, sagt Esch. Positives Beispiel ist für die Medienwissenschaftlerin die amerikanische TV- Serie „CSI: Den Tätern auf der Spur“. Hier ermitteln starke und doch weibliche Wissenschaftlerinnen in der Spurensicherung. Tatsächlich ist der Anteil der weiblichen Forensikstudentinnen in den USA um 64 Prozent gestiegen, seit CSI im amerikanischen Fernsehen läuft.

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