Volle Hörsäle sind eher West-Problem

Berlin/Hannover (dpa/tmn) - Angesichts der gestiegenen Studentenzahlen wird es in vielen Hochschulen eng - das gilt aber eher für den Westen als den Osten Deutschlands.

Für Schulabgänger lohne es sich daher, bei der Studienwahl auch ostdeutsche Hochschulen in Betracht zu ziehen, sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk (DSW) in Berlin. „Die Studienbedingungen sind im Osten vielerorts besser als im Westen.“ Das gelte sowohl für das Betreuungsverhältnis als auch für die Ausstattung. Zu volle Hörsäle seien eher ein „West-Problem“: In den meisten neuen Ländern seien die Erstsemesterzahlen schließlich zurückgegangen.

Noch nie hat es so viele Studienanfänger und Studenten gegeben wie in diesem Jahr. Die Zahl der Erstsemester stieg im Sommer- und Wintersemester um mehr als vier Prozent auf rund 442 600, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte. Etwa 2,2 Millionen Studenten sind im laufenden Wintersemester eingeschrieben, fünf Prozent mehr als vor einem Jahr. Mit dem Ende der Wehrpflicht wird die Zahl der Studenten voraussichtlich weiter steigen: Schätzungen gehen von einem Plus von 50 000 bis 60 000 aus.

Der Zuwachs an Erstsemestern betrifft allerdings vor allem den Westen. In den neuen Bundesländern haben sich - mit Ausnahme von Thüringen - weniger Erstsemester eingeschrieben. Bislang nutzen aber nur wenige Westdeutsche die Chance, in den Osten zu wechseln: Das haben im Wintersemester 2007/08 nur 4,4 Prozent der Studienanfänger getan, die ihre Hochschulreife in den alten Bundesländern erworben hatten. Diese Zahl hat das Hochschul-Informationssystem (HIS) in einer repräsentativen Befragung von Studenten ermittelt.

Der Grund dafür sei, dass viele Studienanfänger im Westen immer noch Vorbehalte gegenüber dem Osten hätten, sagte Grob. „Es ist, als wäre die Mauer nicht gefallen - zumindest in den Köpfen.“ Ins Ausland zu gehen, sei für einige naheliegender, als für das Studium in ein neues Bundesland zu ziehen. „Für manche ist Shanghai näher als Leipzig.“

Dabei zeigen Befragungen vom HIS, dass Studenten an Ost-Unis viel zufriedener sind als ihre Kommilitonen in den alten Ländern. So klagen im Westen vier von zehn (40 Prozent) Studenten darüber, dass Lehrveranstaltungen häufig oder sehr häufig überfüllt sind - im Osten sagen das nur drei von zehn (29). Fast jeder Fünfte West-Student (18) klagt über eine zu schlechte Betreuung, in den neuen Ländern tut das nur rund jeder Achte (12). Auch das allgemeine Urteil fällt in Westdeutschland deutlich schlechter aus: Fast jeder fünfte Student (19) ist dort alles in allem unzufrieden mit den Studienbedingungen, im Osten nur jeder Neunte (11).

Bei Jüngeren hätten die neuen Länder aber einen schlechten Ruf, von dem sich viele abschrecken ließen, sagte Grob. Das sei aber ein Fehler - oft stecke reine Unkenntnis dahinter. Durch das derzeitige Verhalten von Studienanfängern ergebe sich eine paradoxe Situation: „Alles spricht für den Osten - es geht nur keiner hin.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort