Nachspielzeit bei der Jobsuche: In der Probezeit wird's ernst

Berlin (dpa/tmn) - Was ist am schwierigsten bei der Jobsuche? Viele denken da wahrscheinlich an die schriftliche Bewerbung oder das Vorstellungsgespräch. Doch Experten winken ab. Denn so richtig geht die Bewerbung erst in der Probezeit los.

Das Vorstellungsgespräch ist gut gelaufen, der neue Arbeitsvertrag ist unterschrieben - spätestens jetzt lassen die meisten die Sektkorken knallen. Doch Experten warnen: Mit der Unterschrift unter dem Vertrag ist der neue Job noch lange nicht in trockenen Tüchern. Erst muss man noch die meist sechsmonatige Probezeit überstehen - und daran scheitert mittlerweile jedes vierte bis fünfte Arbeitsverhältnis, schätzen Experten wie der Karrierecoach Jürgen Hesse aus Berlin. „Das erste halbe Jahr ist ein Schleudersitz“, erklärt er. „Man kann da ohne große Begründung jederzeit nach Hause geschickt werden.“ Und Stolperfallen gebe es gerade in den ersten Monaten zuhauf.

So richtig beginne die Bewerbung um einen neuen Arbeitsplatz deshalb erst am ersten Arbeitstag, findet Martin Wehrle. „Das Vorstellungsgespräch ist eigentlich nur Vorgeplänkel“, sagt der Karriereberater aus Appel bei Hamburg. Entscheidend sei deshalb, die ersten Tage, Wochen und Monate in einem neuen Unternehmen sehr bewusst anzugehen. Es gehe darum, sich über die Aufgaben, die Kollegen und die Vorgesetzten im Umfeld zu orientieren. „Wer sich sofort überall einmischt, wird von den Kollegen und Vorgesetzten schnell als Feind wahrgenommen.“

„Gerade am Anfang ist es wichtig, sehr bescheiden aufzutreten, kleine Brötchen zu backen, genau hinzuschauen und zu beobachten“, sagt Hesse. Ein Neuling sei einfach derjenige, der sich in ein bestehendes Team einfügen müsse. „Machen Sie sich nichts vor: Sie sind in der Probezeit das kleinste Glied in der Kette. Deshalb ist es ganz wichtig, die Mannschaft nicht gegen sich aufzubringen.“

Die größte Herausforderung am Anfang ist, es allen recht zu machen. Der Chef erwartet, dass man fachlich tolle Leistungen liefert ohne aber gleich alles auf den Kopf zu stellen. Die Kollegen hoffen, dass der Neue ihnen Arbeit abnimmt - man darf sie aber auch nicht als Faulpelze dastehen lassen. Konkret heißt das: Man sollte sich schon reinhängen und abends nicht als Erster nach Hause gehen. Aber man sollte auch nicht der Allerletzte sein, der abends Feierabend macht.

Vor allem braucht man möglichst schnell ein Netzwerk. „Wer es wirklich gut machen will, der legt eine Kollegen- und Chefdatei an“, sagt Christian Püttjer, Karriereberater in Bredenbek in Schleswig-Holstein. „Wichtig ist es, das System und seine Strukturen zu durchschauen. Von wem kriege ich Informationen? Wer trifft die Entscheidungen?“ Ein solches Netzwerk helfe auch dabei, sich regelmäßig Feedback geben zu lassen und so Probleme früh zu erkennen.

Allerdings kann in der Probezeit nicht nur der Arbeitgeber kurzfristig kündigen - man selbst kann auch relativ kurzfristig die Sachen hinwerfen. Das komme gar nicht selten vor und könne manchmal sinnvoll sein, sagen die Experten. „Man muss sich klarmachen: Schwierigkeiten, die schon in der Probezeit auftreten, die werden sich im Laufe der Jahre noch massiv verstärken“, sagt Wehrle.

Schon nach ein paar Monaten wieder auf der Straße zu stehen, macht sich aber nicht gut im Lebenslauf. Wenn es tatsächlich nur ein paar Wochen waren, kann man diese Episode noch geflissentlich verschweigen, sagt Püttjer. Aber wenn ein Arbeitsverhältnis erst nach sechs Monaten am Ende der Probezeit scheitert, wird das schwierig. „Wenn man selbst merkt, dass es mit der neuen Firma gar nicht klappt, sollte man deshalb überlegen, möglichst schnell wieder auszusteigen“, rät er.

Hesse rät, bei späteren Bewerbungen offen mit dem Thema umzugehen. Da sei es wie in der Liebe. „Viele waren schon mal bis über beide Ohren verliebt - und nach dem dritten Rendezvous war es dann schon wieder aus.“

Literatur:

- Christian Püttjer, Uwe Schnierda: „Erfolgreich in der Probezeit“, Campus Verlag, Frankfurt/Main, 2011, 138 Seiten, 9,99 Euro, ISBN-13: 978-3593395593

- Jürgen Hesse, Hans Christian Schrader: „Das große Hesse/Schrader-Bewerbungshandbuch: Alles, was Sie für ein erfolgreiches Berufsleben wissen müssen“, Stark Verlag, Hallbergmoos, 2012, 564 Seiten, 19,95 Euro, ISBN-13: 978-3866684058

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