Nach dem Studium: Zeitarbeit als Sprungbrett

Berlin (dpa/tmn) - Viele sehen die Zeitarbeit als Jobeinstieg an. Sie kann gerade für Arbeitslose oder Hochschulabsolventen eine Chance sein. Doch allzu große Hoffnungen sollten Arbeitssuchende nicht in sie setzen.

Übernahmen kommen nur selten vor.

Weit mehr als eine Million Menschen beginnen pro Jahr eine neue Beschäftigung in der Zeitarbeit. „Viele von ihnen sind arbeitslos und versprechen sich über die Zeitarbeit eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt“, sagt Johannes Jakob, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Berlin. Andere müssen einen Zeitraum überbrücken und sehen die Zeitarbeit als Zwischenbeschäftigung. Berufseinsteiger wiederum wollen so Kontakte mit möglichen Arbeitgebern knüpfen und hoffen, übernommen zu werden. „Wissenschaftliche Untersuchungen belegen allerdings, dass die Arbeitsmarktchancen durch Zeitarbeit nicht deutlich verbessert werden“, warnt der DGB-Experte.

Meist ist es sogar so, dass sich kurzfristige Beschäftigung und Arbeitslosigkeit abwechseln. Etwa 50 Prozent der Arbeitsverhältnisse enden vor Ablauf von drei Monaten. Zeitarbeitnehmer können sich in der Regel auch nicht den Entleihbetrieb aussuchen. Außerdem wird Zeitarbeit meist schlecht bezahlt. „Die Zeitarbeit wird häufig nur akzeptiert, weil derzeit nichts Besseres zu finden ist“, sagt Jakob.

Dennoch hat Zeitarbeit auch positive Seiten: „Sie ist für alle gut, die damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern“, sagt Susanne Schnieber, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Das sind zum Beispiel Arbeitslose, Berufseinsteiger oder Berufsrückkehrer. „Für diese Personengruppen kann die Zeitarbeit eine Brücke in Beschäftigung sein.“ Jemand, der seit 30 Jahren einen festen Arbeitsvertrag hat und sich in der Firma wohl fühlt, sollte allerdings niemals in die Zeitarbeit wechseln.

Für eine Mutter, die seit zwölf Jahren aus dem Beruf raus ist und von SAP noch nie etwas gehört hat, kann die Zeitarbeit jedoch durchaus eine Chance sein, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. In einigen Fällen könne Zeitarbeit ein Sprungbrett sein, weil man sich leichter als Arbeitnehmer aus der Beschäftigung heraus und nicht als Arbeitsloser für einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt bewerben kann, sagt Schnieber. Außerdem beweisen Zeitarbeiter, dass sie flexibel sind; auch weil sie Wege gehen, die festangestellte Arbeitnehmer nicht gehen müssen.

Noch dazu gibt es Arbeitnehmer, die sich nicht an einen Arbeitgeber binden und lieber von einer Firma zur nächsten springen möchten: „Viele Arbeitnehmer wollen nicht 40 Jahre in einem Unternehmen bleiben und wünschen sich eine Zeitarbeits-Beschäftigung“, sagt Michael Wehran, Sprecher des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) in Berlin. Als Zeitarbeiter könnten sie sich ausprobieren und neue Betriebe kennenlernen. Dadurch hätten sie immer wieder eine abwechslungsreiche Arbeitsstelle.

Allerdings sollte sich jeder auch über die Tücken der Zeitarbeit bewusst sein. Natürlich gibt es die Möglichkeit des „Klebeeffekts“ - dass Zeitarbeiter also von einem der Unternehmen, in dem sie eigentlich nur zeitweise arbeiten sollten, übernommen werden. Doch die Übernahmequote ist gering: Nicht einmal jeder zehnte Zeitarbeitnehmer wird übernommen.

Dennoch sollten Zeitarbeiter immer Bereitschaft signalisieren, übernommen werden zu wollen. Dabei zählt vor allem der Kontakt zum Vorgesetzten. Auch den Betriebsrat kann man einschalten. Denn der ist über Personalveränderungen im Betrieb informiert. In vielen Unternehmen gibt es sogar Initiativen, die darauf abzielen, Leiharbeitern zu einer Festanstellung zu verhelfen.

Besonders im produzierenden Gewerbe können sich so Chancen für Arbeitssuchende ergeben. Bei allen Anstrengungen, sich im Betrieb unabkömmlich zu zeigen, gilt aber auch: „Zeitarbeiter, die hoffen, übernommen zu werden, sollten nicht unnötig 'katzbuckeln', sondern selbstbewusst auftreten und sich normal in den Arbeitsablauf integrieren“, rät Jakob.

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