Der passende Arbeitgeber? Jobeinstieg bei NGOs: Arbeitsplatz mit Sinn gesucht

Berlin · Tierschutz, Menschenrechte, Umweltschutz: Die Themen, für die sich NGOs engagieren, sind vielfältig. Wer in dem Bereich arbeiten möchte, sollte Interesse mitbringen - und die Herausforderungen kennen.

Von Fundraising bis Anpacken vor Ort: NGOs bieten ein breites Spektrum an Arbeitsfeldern.

Von Fundraising bis Anpacken vor Ort: NGOs bieten ein breites Spektrum an Arbeitsfeldern.

Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Erfüllend soll er sein, im besten Fall sinnstiftend: Wer sich das für den eigenen Job wünscht, denkt womöglich darüber nach, bei einer NGO zu arbeiten, einer nichtstaatlichen Organisation, die beispielsweise politische, gesellschaftliche oder ökologische Ziele vertritt.

Mehrere Tausend solcher Nichtregierungsorganisationen gibt es weltweit. Das Spektrum reicht der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge von lokalen Gruppen und Initiativen bis zu weltweit tätigen Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Greenpeace oder Amnesty International. Auch kirchliche Hilfswerke wie Misereor oder Brot für die Welt zählen dazu.

Doch was sollte man für einen Job bei einer NGO eigentlich mitbringen? Wie kann der Einstieg gelingen? Und vor allem: Was ist bei einer NGO eigentlich anders als bei anderen Arbeitgebern?

Eine erste Antwort hat Jeanne Olivares, Assistenz im Bereich Personal bei der NGO Reporter ohne Grenzen: „Wir achten besonders auf Werte“, sagt sie. „Wer sich bei uns bewirbt, sollte ein Gefühl für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte haben.“

Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen setzt sich weltweit für Pressefreiheit und gegen Zensur ein. Laut Olivares sollte aus Bewerbungen immer auch ein Interesse an sozialen Themen hervorgehen. Das bedeute aber nicht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbedingt Erfahrungen bei anderen NGOs haben müssen: „Bei uns bewerben sich häufig Menschen, die früher bei großen Unternehmen gearbeitet haben und jetzt nach einem Job mit Sinn suchen“, sagt Olivares.

NGOs ticken anders

Wer aus einem Unternehmen wechseln will, muss sich aber womöglich an der ein oder anderen Stelle umstellen. „Gerade an kleine NGOs darf man meiner Meinung nach nicht dieselben Erwartungen haben wie an profitorientierte Unternehmen“, sagt Olivares. Wer mit öffentlichen Geldern und privaten Spenden arbeitet, ist in der Verantwortung, sorgsam mit Geldern umzugehen. Nicht immer ist zudem die Finanzierung der Organisationen langfristig gesichert.

„Wenn Projekte nur über einen bestimmten Zeitraum gefördert werden, kann das zu einem hohen Anteil an befristeten Stellen führen“, sagt Nora Beckmann, Projektmanagerin bei Talents4Good, einer Personalberatung für den gemeinwohlorientierten Sektor. Dass man bei NGOs weniger verdiene als anderswo, sei zwar ein Vorurteil - an dem aber immer noch etwas Wahres dran ist.

Allerdings seien die Unterschiede zwischen einzelnen Arbeitgebern groß, so Beckmann. „Viele Organisationen beschäftigen sich mit der Frage, wie sie ein faires Gehaltsmodell schaffen können. Dabei beraten wir auch.“ Einige NGOs orientierten sich zum Beispiel am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, andere hätten eigene Tarifsysteme.

Von Marketing bis Medizin

Ob eine NGO als Arbeitgeber in Frage kommt, hängt allerdings auch von den eigenen Qualifikationen ab. Wie in anderen Bereichen werde auch im Non-Profit-Sektor unter anderem nach Personal mit Kenntnissen im Bereich IT, Marketing oder Vertrieb gesucht, sagt Beckmann. Spezifische Arbeitsbereiche seien Fundraising und Campaigning, also die Mobilisierung beispielsweise für Demonstrationen oder Petitionen.

In der konkreten Umsetzung von Projekten werden zudem technische Experten gesucht, heißt es auf dem Portal „abi.de“ der Bundesagentur für Arbeit. Gefragt sind demnach etwa Agrarwissenschaftler und -ingenieure, Klimawissenschaftler oder Biologen. Juristen kommen etwa beim Thema Menschenrechte zum Einsatz, Mediziner beispielsweise im Bereich der Nothilfe in Krisen- und Kriegsgebieten. In der Regel immer wichtig für die Arbeit bei einer NGO: gute Englischkenntnisse.

Zudem sollte man seine Präferenzen kennen. Viele derer, die sich bei Talents4Good beraten lassen, möchten einen Job mit Sinn finden, so Beckmann. Ihnen sei ihre Zeit zu schade, um Dinge zu tun, hinter denen sie nicht stehen. „Wir fragen dann: Was heißt denn sinnstiftend für Sie?“ Denn für eine Person sei das vielleicht der Tierschutz, für die andere politische Bildung.

Und der Non-Profit-Sektor ist nicht nur vielfältig, was die Inhalte angeht. Auch die Organisations- und Finanzierungsformen unterscheiden sich. „Ein kleiner Verein mit vielen Ehrenamtlichen arbeitet anders als eine international agierende NGO“, sagt Beckmann.

Stärker als in vielen anderen Sektoren werde im Non-Profit-Bereich Wert auf partizipative Entscheidungsstrukturen und die Auseinandersetzung mit Themen wie Diskriminierung, Rassismus oder Geschlechtergerechtigkeit gelegt. Einige Ratsuchende hätten allerdings die Vorstellung, dass im Non-Profit-Bereich entspannter, weniger professionell und weniger effizient gearbeitet werde. „Da müssen wir dann manchmal gegensteuern“, sagt Beckmann.

Der Sinn kommt mit Herausforderungen

Ein anderes - gegenläufiges - Vorurteil laute, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in NGOs reihenweise in den Burnout rutschten. Dafür, dass das häufiger als in anderen Branchen passiere, habe sie jedoch keine Belege, so Beckmann.

„Selbstausbeuterisch zu arbeiten, kann uns überall passieren“, sagt Jesta Phoenix, die als Business Emotion Coach in Berlin arbeitet. Zur ihr kommen Menschen, die Probleme oder Herausforderungen im Job zu meistern haben, unter Stress und Erschöpfung leiden oder einen Berufswechsel anstreben. Ihrer Erfahrung nach sei allerdings bei Menschen, die sehr werteorientiert arbeiteten, das Risiko, die eigenen Grenzen zu missachten, besonders hoch.

Sie fürchteten, dem Ziel der Organisationen zu schaden, wenn sie Rücksicht auf ihre eigenen Empfindungen nehmen. Die gesellschaftspolitische Aufgabe hat dann Vorrang vor der Wahrung der eigenen Grenzen. „Menschen, die bei NGOs arbeiten, sind mitunter die ersten, die die eigenen Emotionen hinten runterfallen lassen“, sagt Phoenix.

Realistische Erwartungen sind wichtig

Gerade bei emotional herausfordernden Tätigkeiten, die mit Unrecht, Gewalt und Leid zu tun haben, sei es aber wichtig zu wissen, was man selbst brauche. Jesta Phoenix rät deshalb, sich beim Abschluss eines Arbeitsvertrages auch selbst zu fragen: Welchen Vertrag schließe ich mit mir ab? Werde ich gut für mich sorgen? Wann suche ich mir Hilfe?

Letztendlich braucht man für die Arbeit eine gesunde Verbindung zwischen der womöglich emotional herausfordernden Tätigkeit und dem Privatleben. Mit Abgrenzung allein ist es nicht unbedingt getan. Laut Phoenix sei es schließlich wünschenswert, sich berühren zu lassen - auch, um die eigene Arbeit gut machen zu können und positive Aspekte wahrzunehmen. Denn für etwas Größeres zu arbeiten und am Weltgeschehen teilzunehmen, könne durchaus erfüllend sein.

Gleichzeitig gilt Phoenix zufolge aber auch: „Nur, weil du bei einer NGO arbeitest, heißt das noch lange nicht, dass du den Sinn findest, den du im Leben suchst.“ Das könne zwar, „muss aber nicht sein“. Hier heißt es also: Realistisch bleiben.

© dpa-infocom, dpa:230601-99-907151/2

(dpa)
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