Expertise und Existenzangst Der schwere Stand der Orchideenfächer

Trier/Mainz/Hamburg (dpa/tmn) - Gerade erst ist Fabian Reiter von einer Dienstreise zurückgekehrt, schon gibt der Kalender die nächsten Termine vor. Der Professor der Universität Trier hat viel zu tun.

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Kein Wunder, besetzt er doch eine von bundesweit nur zwei Professuren für Papyrologie.

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Papyrologie gehört zu den sogenannten kleinen Fächern oder Orchideenfächern. „Die Hauptbeschäftigung ist, griechische Texte zu entziffern, zu transkribieren, ergänzen, erklären und zu edieren, die sich auf Papyri und anderen Schriftträgern in großen Mengen aus Ägypten erhalten haben“, erklärt Fabian Reiter. Viel Arbeit, doch kann man davon auch leben?

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In Deutschland gibt es nur sehr wenige Stellen explizit für Papyrologen, meist in der Wissenschaft oder der Museumsarbeit, sagt Reiter. Stattdessen empfiehlt der Professor, das Fach als Ergänzung zu anderen Wissenschaften zu nutzen. Welche Fächerkombinationen für den eigenen Karriereweg am besten zusammenpassen, sollte man sich demnach am besten schon vor Beginn des Studiums überlegen.

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„Ich denke, das Fach ist für viele Bereiche sinnvoll, in denen man kreativ und sorgfältig arbeiten muss“, sagt Reiter. Er empfiehlt beispielsweise in Vorstellungsgesprächen auf die erlernten kognitiven und sozialen Fertigkeiten eines Fachstudiums einzugehen. So gehöre es zur Arbeit des Papyrologen, ein Kritikbewusstsein zu entwickeln, sich immer wieder in neue Probleme einzuarbeiten und zu vertiefen.

Ganz unabhängig von den beruflichen Möglichkeiten sieht Katharina Bahlmann von der Mainzer Arbeitsstelle Kleine Fächer viel Potenzial in den kleinen Fächern: „Kleine Fächer tragen wesentlich zur Diversität wissenschaftlicher Disziplinen und Perspektivenvielfalt an unseren Universitäten bei.“

Als klein gelten Fächer, die mit nicht mehr als drei Professuren an einer Universität besetzt oder bundesweit an weniger als zehn Prozent der Universitäten vertreten sind. Seit 1997 sei die Anzahl der Professuren in den kleinen Fächern bundesweit annähernd konstant geblieben.

„Es ist allerdings anzumerken, dass die Entwicklung zwischen den einzelnen Fachgruppen stark differiert“, sagt Bahlmann. So seien beispielsweise Geschichts- und Altertumswissenschaften von sinkenden Professorenzahlen betroffen, wohingegen die meisten Religionswissenschaften und Fächer mit Medienbezug deutliche Zuwächse aufwiesen. Den größten Teil der erfassten kleinen Fächer machen derzeit mit rund 82 Prozent die Geistes- und Kulturwissenschaften aus.

„Als Geisteswissenschaftler sind Sie für wirtschaftliche Unternehmen schwer einsetzbar, es sei denn, Sie gehen in die Kommunikationsabteilung“, sagt Frauke Narjes, Leiterin des Career Centers der Universität Hamburg. Mit 49 kleinen Fächern bietet die Universität Hamburg mit das größte Angebot an exotischen Studiengängen in Deutschland. Doch für die meisten dieser Fächer gebe auf dem Arbeitsmarkt keinen großen Bedarf, so Narjes.

„Diejenigen, die diese Fächer studieren, sollten sich die Frage stellen, was der Anlass für die Fächerwahl ist“, sagt sie. „Es ist erstmal ein reines Bildungsstudium und keine Berufsausbildung.“ Berufliche Qualifikationen erhalte man am besten mit schnellstmöglichem Praxisbezug, „indem Sie von Anfang an eine Idee entwickeln, wo Sie arbeiten möchten und dann sofort Kontakte zur Praxis herstellen“.

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