Quereinstieg : Als Software-Entwickler an die Schultafel
Stuttgart (dpa) - Mit 37 Jahren begann Rüdiger Bergs zweites Leben. So nennt er es selbst, wenn er von der Zeit vor sieben Jahren erzählt, als er sich bücher-bepackt in einer Dachkammer verkroch.
Dort paukte er, der jahrelang als Software-Entwickler gearbeitet hatte, plötzlich Didaktik und Schulrecht. Berg hatte beschlossen, seinen alten Job an den Nagel zu hängen und Lehrer zu werden. Als er das erste Mal vor einer Klasse stand, zitterten ihm die Knie.
Berg, heute 44, hatte nie Lehramt studiert oder ein Referendariat gemacht. Er hatte sich an der it.schule in Stuttgart als Quereinsteiger beworben. Die gewerbliche und kaufmännische Schule ist auf Informationstechniken spezialisiert. Seine Fachkenntnisse waren hier begehrt.
Dass jemand wie er überhaupt unterrichten durfte, hat Berg dem Lehrermangel zu verdanken. Bundesweit treten immer mehr Quereinsteiger den Schuldienst an. In Baden-Württemberg ist dies derzeit aber nur an beruflichen Schulen und in Fächern mit besonders großem Lehrermangel möglich. In Bergs Fall waren das Informatik und System- und Informationstechnik. In Ausnahmen dürfen Quereinsteiger auch an allgemein bildenden Gymnasien im Fach Physik unterrichten.
Im Südwesten wird zwischen zwei Formen des Quereinstiegs unterschieden: Es gibt Seiteneinsteiger, die erst ihr Referendariat nachholen, bevor sie unterrichten. Und es gibt Direkteinsteiger wie Berg, die sofort ins kalte Wasser geworfen werden. 150 solcher Direkteinsteiger wurden dieses Schuljahr eingestellt.
Während Berg bereits unterrichtete, machte er berufsbegleitend sein Referendariat. Nach drei Jahren und bestandener Prüfung konnte er so sogar verbeamtet werden. „Mein Leben hat sich komplett verändert„, sagt er. „Früher in der Industrie arbeitete ich an drei bis vier Großbaustellen, hier an der Schule sind es gefühlt über hundert Kleinbaustellen.“