Anonym: Bewerbung ohne Gesicht

Anwärter müssen sich nicht mehr mit Foto und Namen bewerben. Nur die Qualifikation zählt.

Düsseldorf. Ein gutes Wirtschaftsexamen, Zielstrebigkeit, gute Umgangsformen - eigentlich hat Abdul F.(Name geändert) alles, was sich ein Arbeitgeber nur wünschen kann. Dennoch hatte es der junge Mann bei der Jobsuche nicht einfach. Während seine Kommilitonen auf fast jede Bewerbung eine Einladung zum Gespräch bekamen, ging Abdul, dessen Vater aus Marokko stammt, meist leer aus. "Ob meine Herkunft der Grund dafür war, kann ich nicht sagen, aber ich vermute es."

Was der heute 32-Jährige nur vermuten kann, belegt eine Studie des Institutes zur Zukunft der Arbeit. Forscher hatten über 1000 Bewerbungen auf Praktikumsstellen für Wirtschaftsstudenten verschickt. Sie verwendeten gleichwertige Bewerbungsunterlagen, denen per Zufall ein Name deutscher oder türkischer Herkunft zugeordnet wurde.

Die fiktiven Bewerber hatten nicht nur vergleichbare Qualifikationen, sondern waren wie Abdul F. zudem ausnahmslos deutsche Staatsbürger und Muttersprachler. Ergebnis: Die Bewerber mit türkischem Namen erhielten 14 Prozent weniger positive Zusagen, als die Bewerber mit deutschen Namen.

Natürlich ist eine solche Diskriminierung verboten (siehe Kasten). Doch weil es oft nur schwer nachzuweisen ist, ob potentielle Arbeitnehmer tatsächlich wegen ihrer Herkunft, aber auch wegen ihres Geschlechts abgelehnt wurden, fordert Christine Lüders, Chefin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), nun die Einführung von anonymen Bewerbungen (siehe Kasten).

In einem Pilotprojekt werden Firmen das Verfahren testen. Begleitende Untersuchungen sollen zeigen, ob die "Bewerbungen ohne Gesicht" zu einer Verringerung der Diskriminierung führen kann.

Dabei gibt es bereits gute Beispiele dafür, dass dies der Fall ist. Musiker etwa, die für ein Orchester vorspielen, werden hinter einer Leinwand versteckt, damit nur ihr Können und nicht etwa Sympathien eine Rolle spielen. Erst beim zweiten Vorspielen wird ihre Identität preisgegeben.

Trotzdem würde kaum ein Arbeitgeber zugeben, dass bei der Bewertung der Bewerbungunterlagen andere Dinge als die Qualifikation eine Rolle spielen. "Die Menschen werden bei uns nach Qualifikation und Können ausgesucht", sagt etwa Roland Wolf von der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände.

Der Arbeitsrechtexperte kritisiert zudem, dass den Unternehmen Verwaltungskosten entstünden. So müssten Zeugnisse und andere Unterlagen, die Rückschlüsse auf die Identität des Bewerbers zuließen, geschwärzt werden, bevor sie zum Chef gehen. Dennoch glaubt Lüders daran, dass sich diese Praxis durchsetzten wird. Auch ohne Gesetz.

Auch Abdul F. hält das für sinnvoll. "Man muss ja erst mal die Chance haben, sich vorstellen zu dürfen", sagt Abdul, der schließlich doch eine Einladung bekam und die Personaler eines Kreditinstitutes überzeugen konnte.

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