Rabbi verfolgt und beschimpft: Sind Juden in Düsseldorf noch sicher?

21 antisemitische Vorfälle im vergangenen Jahr. Jüdische Gemeinde beklagt zunehmenden Antisemitismus.

 Der Wiener Rabbiner Mosche Israelov (re) und Chaim Barkahn weihen eine Tora-Rolle ein.

Der Wiener Rabbiner Mosche Israelov (re) und Chaim Barkahn weihen eine Tora-Rolle ein.

Foto: picture alliance / dpa/Wolfram Kastl

Noch vor drei Jahren hatte Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, erklärt, dass er in Düsseldorf überall seine Kippa tragen könne. Inzwischen hat er seine Meinung geändert: „Es gibt Stadtteile, in denen ich das nicht mehr tun würde.“ Golzheim gehörte bislang nicht in diese Kategorie. Das könnte sich nach einem Vorfall am Sonntagabend ändern. Der Rabbi Chaim Barkahn schilderte auf seiner Facebook-Seite, dass er von einem Unbekannten beschimpft und verfolgt wurde: „Leider habe ich nun zum ersten Mal das Gefühl, als Jude nicht mehr sicher in Düsseldorf zu sein.“ Das löste Betroffenheit bei vielen Düsseldorfern aus. Inzwischen ermittelt die Kriminalpolizei.

„Ich ging wie immer mit Kippa, weißem Hemd und Zizit auf der Straße. Unweit unserer Wohnung und des Chabad-Zentrums beschimpfte mich ein Mann zuerst mit unflätigen Ausdrücken als Jude und ließ sich dann äußerst negativ über Israel aus.“ Barkahn berichtet weiter, wie er von dieser Person dann sogar verfolgt wurde und sie nur mit Mühe abschütteln konnte. Barkahn ist seit 2001 Rabbi der von der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf unabhängigen Organisation Chabad Lubavitch an der Bankstraße.

Die Polizei ermittelt vorerst
nur wegen Beleidigung

Noch am Dienstag wurde der Rabbi im Polizeipräsidium vernommen. Abgespielt habe sich der Vorfall am Sonntag gegen 22.30 Uhr an der Collenbachstraße. Gegenüber den Beamten sprach Barkahn von einem „arabisch aussehenden Mann“, der ihn beschimpft habe. Wie ein Polizeisprecher erklärte, werde zunächst wegen Beleidigung ermittelt.

Ein Problem, mit dem sich Juden in Düsseldorf zunehmend konfrontiert sehen. Die Zahl von 21 antisemitischen Vorfällen im vergangenen Jahr (Düsseldorf liegt hinter Dortmund und Köln auf dem dritten Platz der Kriminalstatistik) scheint auf den ersten Blick gering. Szentei-Heise: „Man muss aber bedenken, dass es in Düsseldorf nur etwa 4500 Juden gibt.“

Hinzu komme der unterschwellige Antisemitismus im Alltag, der allerdings fast ausschließlich von Muslimen komme. Szentei-Heise beklagt die „völlig indifferente Haltung“ von großen Teilen der nichtjüdischen Bevölkerung. Manche Menschen würden eine „klammheimliche Freude“ über den wachsenden Antisemitismus empfinden.

Die Reaktionen auf den Facebook-Eintrag des Rabbis sprechen allerdings eine andere Sprache. Dort macht sich Betroffenheit über den Vorfall breit, Barkahn wird auch Unterstützung angeboten. Viele sind über das Geschehen empört. Darunter auch Manfred Neuenhaus, Chef der FDP-Ratsfraktion: „Ich bin wütend. So etwas darf es in unserer Stadt nicht geben.“ Am 8. Juli wollen Szentei-Heise und Polizeipräsident Norbert Wesseler bei der Fraktionssitzung der Liberalen im Rathaus über das Thema diskutieren.

Auch Oberbürgermeister Thomas Geisel, der sich zurzeit in China aufhält, nahm Stellung zu dem Vorfall: „Der verbale Angriff auf Chaim Barkahn, den ich persönlich kenne und als weltoffenen Düsseldorfer schätze, macht auch mich betroffen. Dennoch sollten wir über diesen bedenklichen Vorfall jetzt nicht in Alarmismus verfallen. Wir freuen uns, dass es in Düsseldorf ein lebendiges jüdisches Gemeindeleben gibt, das selbstverständlich zu einer weltoffenen Stadt gehört.“

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